Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
April 2021

Philipp Stiasny, Jürgen Kasten, Frederik Lang (Hg.)
Ufa international
Ein deutscher Filmkonzern mit globalen Ambitionen
München, edition text + kritik 2021
454 S., 39,00 €
ISBN: 978-3-86916-873-9

Philipp Stiasny, Jürgen Kasten, Frederik Lang (Hg.):
Ufa international.
Ein deutscher Filmkonzern mit globalen Ambitionen

Die Ufa, gegründet 1917, war ein deutscher Filmkonzern mit globalen Ambitionen. Über ihre entsprechenden Aktivitäten vor allem in der Zeit von 1918 bis 1945 gibt ein Band mit 23 Beiträgen interessante, bisher nicht bekannte Informationen. Herausgegeben von Philipp Stiasny, Jürgen Kasten und Frederik Lang.

Die Literatur über die Ufa ist inzwischen ziemlich umfangreich. Den ersten „Beitrag zur Geschichte des deutschen Filmschaffens“ gab 1943 Hans Traub, damals Leiter der Ufa-Lehrschau, im Auftrag der Univer-sum-Film Aktiengesell­schaft heraus. Und Otto Kriegk titelte sein Buch damals „Der deutsche Film im Spiegel der Ufa“. Zum 50. Geburtstag 1967 wurde nichts publiziert. Zum 75. fand eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum statt, Rainer Rother edierte einen Katalog in Form von 22 Ufa-Magazinen. Hans-Michael Bock und Michael Töteberg gaben bei Zweitausendeins „Das Ufa-Buch“ heraus, noch immer eine herausragende Publikation, an der 46 Autorinnen und Autoren beteiligt waren. Als Einzelgänger verfasste Klaus Kreimer „Die Ufa-Story“ für den Hanser Verlag. Zum 100. Geburtstag erweiterte eine Ausstellung der Deutschen Kinemathek den Blick auf die Ufa über die Zeit nach 1945 hinaus bis in die Gegenwart. Den Katalog edierten Peter Mänz, Rainer Rother und Klaudia Wick. Friedemann Beyer publizierte den Band „Die Ufa. Ein Film-Universum“. Und im Zeughauskino fand eine Tagung zu 100 Jahren Ufa statt, bei der die Idee zum nun vorliegenden Buch „Ufa international“ entstanden ist. Das Ergebnis ist beeindruckend.

In acht Abschnitten und 23 Texten untersuchen die Autorinnen und Autoren die Aktivitäten der Ufa und ihr Verhältnis zum internationalen Mark zwischen 1917 und 1962. Zunächst geht es um Stars, Stoffe, Sprachversionen. Frederik Lang und Philipp Stiasny fragen „Welche Sprache spricht die Ufa? Polnische Spanier, englische Ungarn und französische Berliner zwischen 1918 und 1933“. Michael Wedel erinnert an die Zusammen-arbeit von Alfred Hitchcock und Graham Cutts bei dem Film DIE PRINZESSIN UND DER GEIGER, der als Koproduktion von Michael Balcon und Erich Pommer 1925 in Babelsberg gedreht wurde. Tobias Nagl entdeckt „Interplanetarische Produktionsstrate-gien“ in deutschen Science-Fiction-Filmen 1925 bis 1939: METRO-POLIS und FRAU IM MOND von Fritz Lang, F.P.1 ANTWORTET NICHT und GOLD von Karl Hartl, WELTRAUMSCHIFF I STARTET, ein Kulturfilm von Anton Kutter.

Globale Ansprüche, lokale Partner heißt der zweite Abschnitt. Wolf-gang Fuhrmann beschäftigt sich mit der Ufa in Lateinamerika 1919-1942, Karina Pryt mit der Ufa in Polen 1918-1939, Karl Sierek mit der Ufa in Japan und China zwischen 1923 und 1945. Roel Vande Winkel richtet den Blick auf die Ufa-Auslandsabteilung und den deutschen Filmexport im Zweiten Weltkrieg. Dann geht es zur Beziehung zwischen Ufa und Hollywood. Thomas J. Saunders sieht „Weltmarkt-fantasien aus Babelsberg“ im Verhältnis zwischen der Ufa und den Hollywood-Studios in den 1920er Jahren. Patrick Rössler äußert sich zur Presse- und Werbearbeit der Ufa im In- und Ausland. Rolf Giesen entdeckt den deutsch-amerikanischen Techniktransfer und verweist auf die Abteilung Filmtrick der Ufa („Der Ritt auf der Kanonenkugel“).

Abschnitt 4: Die Kultur- und Werbefilme der Ufa. Bei Anja Laukötter geht es um die Ufa-Kulturfilme in den USA der 1920er Jahre, bei Natasha Poljakowa um die Ufa-Kulturfilme in der Sowjetunion 1923-1931. Ralf Forster beschreibt die Ufa-Werbefilmabteilung und konkre-tisiert die Arbeit an dem Henkel-Großfilm WÄSCHE – WASCHEN – WOHLERGEHEN (1932). Abschnitt 5: Wirtschafts- und Struktur-geschichte der Ufa. Zwei Texte stammen von Jürgen Kasten. Zuerst befasst sich der Autor mit der wirtschaftlichen Dauerkrise der Ufa 1918-1927, dann mit den Eigen- und Auftragsproduktionen 1918-1929. Armin Jäger summiert die Einspielergebnisse der Ufa 1929-1936: „Kein Morgenrot im Ausland“.

Abschnitt 6: Emigration und Exil jüdischer Ufa-Mitarbeiter. Christian Rogowski porträtiert den Starregisseur Ludwig Berger: „Verwöhnt, verehrt, vertrieben“. Jan-Christopher Horak beschreibt den Weg ins Exil von Robert Liebmann und Erik Charell und die Entlassung der jüdischen Ufa-Mitarbeiter 1933. Abschnitt 7: Die Sprache der Mode. Kostüme und Kontinuitäten zwischen Marlene Dietrich und Marika Rökk. Tatjana Tschagina hat ein Wiedersehen mit der Ufa im sowjeti-schen Kino der Stalinzeit. Mila Ganeva richtet ihren Blick auf die Kostümabteilung der Ufa 1938-1945: „Kleider machen Filme“. Achter und letzter Abschnitt: Die Ufa nach der Ufa. Ralf Schenk äußert sich zu den Überläufern von der Ufa zur DEFA 1945-1954. Stefanie Mathilde Frank untersucht die Ufa und das Urheberrecht in den 1950er Jahren. Michael Töteberg befasst sich mit der Deutschen Bank und der Ufa 1956-1962: „Betrüger, Banker, Bürokraten“.

Die Struktur und der breite Fächer der Themen machen deutlich, dass die Herausgeber dem Anspruch des Titels „Ufa international“ gerecht werden. Die Texte der 24 Autorinnen und Autoren haben durchweg ein hohes Niveau und zeigen durch entsprechende Quellenverweise ihre Kenntnis der bereits vorliegenden Literatur. Darüber hinaus wurden durch intensive Archivarbeit neue Quellen erschlossen. Das Buch füllt eine Lücke in der Ufa-Literatur.

Abgebildet sind vorwiegend Plakate und Anzeigen. Coverabbildung: Werkfoto von den Dreharbeiten zu DIE LETZTE KOMPAGNIE (1930), Conrad Veidt, Marlene Dietrich, Kurt Bernhardt.

Mehr zum Buch: www.etk-muenchen.de/search/Details.aspx?ISBN=9783869168739#.YFzKRDvl5W8