Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
März 2010

Dominik Graf:
Schläft ein Lied in allen Dingen
Texte zum Film
Herausgegeben von Michael Althen
Alexander Verlag, Berlin 2009
376 S., 19,90 €
ISBN 978-3-80581-210-1

Dominik Graf:
Schläft ein Lied in allen Dingen.
Texte zum Film

Seine zehnteilige Fernsehserie IM ANGESICHT DES VERBRECHENS wurde am Ende der Berlinale uraufgeführt. Die 480 Minuten gehörten, auch für mich, zu den Höhepunkten des Festivals. Dominik Graf at his best. Seine Sammlung mit Texten zum Film ist im Spätherbst 2009 erschienen und steht in diesem Monat auf der Sachbuch-Bestenliste der Süddeutschen Zeitung. Das passiert einem Filmbuch höchstens alle zehn Jahre. So mache ich es, mit etwas Verspätung, zu meinem Buch des Monats März 2010.

Dominik Graf, geboren 1952, Sohn des Schauspielers Robert Graf, verbindet auf bewundernswerte Weise die Kreativität eines Regisseurs mit der Schreibkraft eines Autors. Er hat in den siebziger Jahren an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film studiert und seither an die 50 Filme gedreht, fürs Kino, aber vor allem fürs Fernsehen, Einzelstücke und Serienteile, viele Krimis, einige Dramen, wenige Komödien. Er geht seinen eigenen Weg in der Auswahl der Geschichten, in der zugespitzten Erzählweise, im Umgang mit Schauspielern. Im Kino hatte er einige Misserfolge, mit dem Fernsehen kommt er bestens klar, gerade hat er seinen achten Grimme-Preis gewonnen, so viele bekam noch keiner.

Wie schafft es ein viel beschäftigter Regisseur, auch noch Essays über den internationalen Film, über Kollegen aus Amerika, Frankreich und Italien zu schreiben? Graf weiß genau, wovon er redet, und er tut es mit einer Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit, die den Texten so etwas wie eine Sogwirkung verleiht. Wenn man beginnt, sie zu lesen, kann man vor dem letzten Satz nicht mehr aufhören. Man spürt, warum diesem Autor ein Film, ein Regisseur, ein Schauspieler etwas bedeuten. Seine Lieblingsfilme liegen meist quer zum Mainstream, aber sie reklamieren keinen Kunstanspruch. Sie haben einen spezifischen Stil und eine Haltung zum Stoff, die Graf genau zu beschreiben vermag. Er braucht dafür keine analytischen Begriffe, schon gar kein wissenschaftliches Instrumentarium, sondern nur seine Augen und Ohren. Er versteht viel von Musik, von Bildern, vom Kino und von den Genres der internationalen Filmgeschichte. Niemand hat in meiner Wahrnehmung intensiver und persönlicher über Robert Aldrich, Nicolas Roeg, Mike Figgis oder Damiano Damiani geschrieben als Dominik Graf. Unvergesslich: seine Serie über die Komponisten von Truffaut.

Ein spezifischer Glücksfall für Graf war sicherlich die Erfindung der DVD, die es ihm möglich macht, sich Filme anzuschauen, wenn er gerade Lust darauf hat (oder Zeit dazu). Geschrieben wird dann wohl irgendwann in der Nacht. In seinem Vorwort zitiert der Herausgeber Michael Althen E-Mails von Graf, in denen die Spontaneität zum Anschauen und Schreiben deutlich wird. Die Mehrzahl der hier versammelten Texte stammt aus der Frankfurter Allgemeinen und der Süddeutschen Zeitung. Ein spezieller, sehr subjektiver Anhang: „Die besten DVDs“. Da wird lakonisch bewundert und ausgeteilt.

Der Titel des Buches ist einem Eichendorff-Gedicht entnommen, das Titelbild stammt von dem Kameramann Helge Weindler, mit dem Graf in seiner Frühzeit eng zusammengearbeitet hat. Ihm wie auch dem Schauspieler Klaus Wennemann, dem Tonmeister Milan Bor und dem Kameramann Martin Schäfer sind sehr persönliche Nachrufe gewidmet.

Seit ich kürzlich Grafs wunderbaren Text über Max Ophüls’ LOLA MONTEZ (anlässlich der Edition einer französischen DVD) gelesen habe, freue ich mich schon auf den zweiten Band seiner Schriften.