Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
März 2008

Jochen Brunow (Hg.)
Scenario 2
Film- und Drehbuchalmanach
Verlag Bertz + Fischer, Berlin 2008.
336 S., 19,90 Euro
ISBN 978-3-86505-185-1

Jochen Brunow (Hg.):
Scenario 2.
Film- und Drehbuch-Almanach

Ich habe eine Vision: Wir schreiben das Jahr 2016 und ich sehe die ersten zehn Bände des Film- und Drehbuch-Almanachs „Scenario“ vor mir. Sie enthalten zehn Werkstattgespräche mit den wichtigsten deutschen Drehbuchautoren unserer Zeit, die preisgekrönten Scripts der vergangenen zehn Jahre und zehn Tagebücher („Journale“) interessanter Autoren. Es sind inzwischen rund vierzig Essays, in denen internationale Genres und Werke analysiert wurden, in zwanzig „Backstorys“ konnten die unterschiedlichsten Facetten der Geschichte des Drehbuchs dargestellt werden, und an die hundert „Lesezeichen“ haben meinen Blick auf den Film der Welt erweitert. Am ersten Berlinale-Samstag fand die Präsentation von „Scenario 10“ im Museum für Film, Fernsehen und Internet am Potsdamer Platz statt. Zum Jubiläum hat der Staatsminister für Kultur und Medien eine schöne Rede gehalten und dabei die Förderung des elften Bandes in Aussicht gestellt. Die Nachfolgerin von Dieter Kosslick – die erste Leiterin der Berlinale – ist zur Feier des Tages anwesend. Eine Vision.

Vor mir liegt zunächst einmal „Scenario 2“, herausgegeben von Jochen Brunow, eine Publikation der „Carl Mayer Gesellschaft“, gefördert durch den BKM. Das Buch provoziert die eben geschilderte Perspektive, denn es löst alle Versprechen ein, die mit „scenario 1“ gegeben wurden. Die 17 Beiträge des neuen Bandes sind klug und variantenreich, sie reflektieren und konkretisieren ihren Gegenstand, sie blicken zurück und nach vorn, entfalten Phantasie und öffnen Diskurse, machen neugierig und hoffnungsfroh.

„Scenario“ ist ein Almanach aus der Sicht der Drehbuchautoren. Mit ihrem Blick in und auf die Welt des Films (und des Fernsehens) beginnen die kreativen Prozesse, die von Regisseuren, Kameraleuten, Schauspielerinnen und Schauspielern, Produzenten und Redakteuren erweitert, intensiviert und im besten Fall erfolgreich realisiert werden. Interessant bei der Lektüre von „Scenario“ ist der Effekt, dass mit dem Blick der Drehbuchautoren, den das Buch als Perspektive vorgibt, unsere Wahrnehmung von Film und Fernsehen nicht eingeengt, sondern erweitert wird. Das ist ein Zugewinn, der den verschiedenen Autorinnen und Autoren zu verdanken ist, die sich hier nicht als Lobbyisten, sondern als Mitglieder eines größeren Teams einbringen, dem am Ende der Erfolg zu danken (oder auch ein Misserfolg zuzuschreiben) ist. Das lange Werkstattgespräch mit Ruth Toma und das eindrucksvolle Journal von Christoph Fromm erfüllen in ihren Rubriken die Maßstäbe, die in Band 1 mit Wolfgang Kohlhaase und Susanne Schneider gesetzt worden sind. Damit beginnt natürlich das Gedankenspiel für Band 3. Wer werden die nächsten sein?

Michael Tötebergs Text über Peter Märthesheimer ist so etwas wie ein verspäteter Nachruf, Thomas Knauf erinnert an Ulrich Plenzdorf, Gerhard Midding benutzt das Buch „The Schreiber Theory“ von David Knipen zum Ausgangspunkt für eine größere Relefexion über die Autorentheorie, der Herausgeber Jochen Brunow spielt mit dem Filmischen im japanischen Bildgedicht Haiku, Lars-Olav Beier beschäftigt sich mit den Filmen von Guillermo Arriaga und Alejandro González Inárritu, André Georgi versucht eine kleine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen amerikanischen Filmdramaturgie. Vom Journal-Autor Christoph Fromm stammt auch – Zufall oder Fügung – das „Drehbuch des Jahres“: „Sierra“, das hoffentlich irgendwann einmal verfilmt wird.

„scenario 1“ (damals noch mit kleinem s) hatte einen türkisfarbigen Einband. „Scenario 2“ ist rot. Das Farbspektrum lässt Spielräume für viele weitere Bände. Für Umschlag und Layout ist Hauke Sturm verantwortlich, der den Texten und Bildern, der Haupt- und Marginalspalte dieser Publikationsreihe auch ein schönes, eigenes Profil gibt. Noch eine Vision: Ich würde gern 2016 „Scenario 10“ als Filmbuch des Monats März vorstellen. Ad multos annos, Jochen Brunow.