Filmbuch des Monats
Juli 2018
Julia Schumacher
Realismus als Programm
Egon Monk – Modell einer Werkbiografie
Marburg, Schüren Verlag 2018
344 S., 34,00 €
ISBN 978-3-89472-979-0
Julia Schumacher:
Realismus als Programm.
Egon Monk - Modell einer Werkbiografie
Er hat keinen Kinofilm realisiert, seine Wirkungsstätte war das Fern-sehen. Aber als Hauptabteilungsleiter Fernsehspiel des NDR und als Regisseur hat Egon Monk (1927-2007) Pionierarbeit geleistet. Damit sollte ihm unsere Anerkennung als große Persönlichkeit in der Medien-geschichte sicher sein. Julia Schumacher hat in ihrer Dissertation, die an der Universität Hamburg entstanden ist, das Œuvre von Monk in einer Werkbiografie analysiert. Ein beeindruckendes Buch.
Dies sind seine wichtigsten Lebensstationen: geboren als Sohn einer Arbeiterfamilie in Berlin-Wedding. Luftwaffenhelfer in den letzten beiden Kriegsjahren. Zuerst Schauspielschule und ab 1947 Regie-ausbildung. 1949 bis 1953 Assistent von Bertolt Brecht am Berliner Ensemble; eigene Inszenierungen ab 1950. Übersiedlung nach Westberlin 1953. Hörspiele für den RIAS. 1957 zum NDR nach Hamburg, zunächst als Dramaturg, von 1960 bis 68 Leiter der Fernsehspiel-Abteilung. Wechsel als Intendant zum Hamburger Schauspielhaus; quittiert seinen Dienst nach zweieinhalb Monaten. Anschließend als freier Autor und Regisseur für ARD und ZDF tätig. Letzter Film: DIE BERTINIS, fünf Teile, 1988. Gestorben am 28. Februar 2007 in Hamburg.
In chronologischer Reihenfolge untersucht Julia Schumacher in ihrem Buch die Inszenierungen von Egon Monk, beginnend mit der Fernseh-aufzeichnung DIE GEWEHRE DER FRAU CARRAR (gesendet 1953 im Versuchsprogramm des DDR-Fernsehens). Mit großer Genauigkeit beschreibt die Autorin Kameraführung, Ton und Montage, informiert über den Produktionshintergrund und äußert sich zum Realitätsgehalt. Dies setzt sie konsequent auch für die 21 weiteren Inszenierungen fort, die sie in entsprechenden Aufzeichnungen sehen konnte. Ihren Schwerpunkt setzt sie dabei nicht auf inhaltliche Aspekte, sondern auf die Form, die Ästhetik, die bei der Rezeption von Monks Fernsehfilmen oft vernachlässigt wurde.
Die frühen Inszenierungen von Egon Monk aus der Zeit von 1953 bis 1962 habe ich nie gesehen. Ihre Qualitäten werden in diesem Buch deutlich. Meine persönlichen Favoriten sind SCHLACHTVIEH (1963) und WILHELMSBURGER FREITAG (1964), beide nach Büchern von Christian Geissler, EIN TAG – BERICHT AUS EINEM DEUTSCHEN KONZENTRATIONSLAGER 1939 (1965), die Episode BERLIN N 65 aus AUGENBLICK DES FRIEDENS (1965), INDUSTRIELANDSCHAFT MIT EINZELHÄNDLERN (1970) und DIE GESCHWISTER OPPER-MANN (1983) nach dem Roman von Lion Feuchtwanger. Es ist beeindruckend, wie Julia Schumacher diese Filme beschreibt und ihre Komplexität erschließt. Nur die späten, mehrteiligen Filme von Egon Monk sind im Übrigen auf DVD erhältlich. Aber viele kann man sich in der Programmgalerie des Museums für Film und Fernsehen der Deutschen Kinemathek anschauen.
Die Autorin informiert uns auch über die nicht realisierten Projekte von Egon Monk, „Hilferding“, „Die Ernennung“ und „Café Leon“, zu denen es unterschiedliche Materialien im Nachlass gibt, der in der Akademie der Künste verwahrt wird.
Einerseits wurde Egon Monk stark von seiner Zusammenarbeit mit Bert Brecht geprägt. Andererseits war er immer auf der Suche nach neuen ästhetischen Lösungen für die Darstellung von Geschichte und Gegen-wart. Illusionskino war ihm fremd. Er wollte Zuschauerinnen und Zuschauer mit der Realität konfrontieren. Das ist ihm, wie dieses Buch deutlich macht, mehr als vielen anderen gelungen.
Band 18 der Reihe „Aufblende. Schriften zum Film“, die von Heinz-B. Heller und Knut Hickethier herausgegeben wird.
Mehr zum Buch: realismus-als-programm.html
Einen Hinweis wert ist noch immer das Buch „Regie Egon Monk“, das Rainer Nitsche 2007 herausgegeben hat: von-puntila-zu-den-bertinis/