Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Oktober 2007

Robert Bresson
Notizen zum Kinematographen

Hg. von Robert Fischer

Alexander Verlag, Berlin 2007

124 S., 12,90 €
ISBN 978-3-89581-173-9

Robert Bresson:
Notizen zum Kinematographen


1901 war sein Geburtsjahr, 1999 sein Todesjahr. Man könnte von einem Jahrhundertmann sprechen. Aber Robert Bresson ignorierte die reale Zeit, in der er gelebt und gearbeitet hat.

Er weigerte sich, die Welt, wie sie ist, zu akzeptieren. Er war ein gläubiger Katholik und leistete der bestehenden Kirche Widerstand. Er war Filmregisseur, aber er mochte das Kino nicht, sondern nur den Kinematographen, also die Apparatur, mit der er Versuchsanordnungen in der bestmöglichen Weise aufzeichnen konnte. Bresson lehnte es ab, mit Schauspielern zu arbeiten, und holte sich stattdessen Laien, die er „Modelle“ nannte, vor die Kamera. Mit seinen Filmen wollte er um Gottes willen niemandem Vergnügen bereiten. Es ging ihm um Erkenntnisse.

Zwölf Spielfilme hat Robert Bresson in 33 Jahren gedreht, den ersten, LES ANGES DU PÉCHÉ (Das Hohelied der Liebe), 1943, den letzten, LE DIABLE PROBABLEMENT (Der Teufel möglicherweise), 1976. Für seinen schönsten Film halte ich PICKPOCKET (1959), eine Charakterstudie und eine Hommage an die virtuose Beherrschung des Taschendiebstahls. Bresson wurde bewundert und verehrt, zu Formen der Liebe ließ er es nicht kommen, denn als reale Person wollte er nicht in Erscheinung treten.

Die Notizen zum Kinematographen: Das sind 450 Merksätze. Zum Beispiel: „Gründe deinen Film auf Weißes, auf Stille und Reglosigkeit.“ Oder: „Es geht nicht darum, ‚einfach’ zu spielen oder ‚innerlich’ zu spielen, sondern darum, überhaupt nicht zu spielen:“ Diese Notizen erschließen in ihrem didaktischen Purismus sein Werk. Und sie sind eine eigene, allen Modernismen widersprechende Medientheorie.

Dominik Graf empfiehlt in seinem kurzen, klugen Nachwort einen Umweg, um Bressons Filmen näher zu kommen. Als Pfadfinder taugen seiner Meinung nach Regisseure wie Jean-Pierre Melville, François Truffaut oder Martin Scorsese, wenn sie ihre Schauspieler vor der Anwendung des psychologisierenden Theaterspiels bewahren. Denn „es geht doch in bestimmten Augenblicken im Kino nur noch darum, eine Projektionsfläche für unsere Empfindungen zu sein.“ (Graf).

Bressons Notizen sind 1980 erstmals auf Deutsch erschienen. Der Herausgeber Robert Fischer hat die damalige Übersetzung sensibel überarbeitet. Und wer des Geplappers über Wesen und Wirkung des Films im Zeitalter der Beschleunigung und Digitalisierung überdrüssig ist, der findet bei Bresson mentale Unterstützung. Man könnte das mit einem kurzfristigen Aufenthalt im Kloster vergleichen: Auch der führt zu Selbstbesinnung und guten Vorsätzen.