Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Jahres
1969
Filmbuch des Jahres

Gerd Albrecht
Nationalsozialistische Filmpolitik
Eine soziologische Untersuchung über die Spielfilme des Dritten Reiches
Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1969
562 S. (69 DM)
ISBN ---

Gerd Albrecht:
Nationalsozialistische Filmpolitik

Die kritische Analyse der deutschen Filmgeschichte begann in der Bundesrepublik in den sechziger Jahren. Der Kölner Filmhistoriker Gerd Albrecht (1933-2008) war dank seiner Kompetenz und Gründlichkeit viele Jahre federführend in der Darstellung und Analyse des NS-Films. Sein Hauptwerk über die nationalsozialistische Filmpolitik gilt als Basisliteratur.

Erwin Leiser, mit dem Thema bestens vertraut, hat Albrechts Buch in einem großen Dreispalter für die Neue Zürcher Zeitung rezensiert. Ich zitiere drei Absätze:

„Albrechts Untersuchung geht von drei Hypothesen für die national-sozialistische Filmpolitik aus, die er ‚als Versuch zur einheitlich strukturierten, an der Ideologie und am Erfolg kontrollierten, den zuständigen Personen und Instanzen bewussten Regelegung des Filmwesens’ definiert. Albrecht zeigt, dass die Filmpolitik des Dritten Reiches ausgerichtet war ‚auf die Einhaltung des nationalsozia-listischen Führerprinzips, auf die Integration von nationalsozia-listischer Ideologie und filmischer Darbietung, auf ein Filmangebot, das der nationalsozialistischen Propaganda auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlichem Maße dient’. Albrecht hat davon abgesehen, eine Gesamtdarstellung der Ideologie und der Propagandamethoden des Nationalsozialismus zu geben, mit dem Hinweis, dass die bisher vorliegenden Forschungsergebnisse auf diesen gebieten zu unterschiedlich sind, um in diesem Zusammenhang ‚auf einen Nenner’ gebracht zu werden.

Das Kernstück des Buches ist ein Kapitel über die Einhaltung des Führerprinzips in der Filmpolitik, dessen Darstellung wertvolles Material für das Verständnis nationalsozialistischer Praxis und Denkweise auch auf anderen Gebieten enthält. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Film in den üblichen Goebbels-Biographien und Analysen der nationalsozialistischen Propaganda immer nur nebenbei behandelt wird und dass Abrecht der erste ist, der Mythen wie die Behauptung, Goebbels habe sich während des Krieges jede Wochenschau einen Tag vor ihrem öffentlichen Erscheinen angesehen, einer kritischen Prüfung unterwirft und die Struktur des damaligen Filmwesens genau aufzuzeigen vermag. (…)

Die 323 Seiten Text der Untersuchung Albrechts werden durch umfangreiche Anlagen zu den einzelnen Kapiteln ergänzt, die unter anderem Zensur- und Uraufführungsdaten der nach Kategorien sortierten Filme, Einspielergebnisse und Produktionskosten von Filmen nach Gattungen und Jahren und eine Reihe von Angaben über Regisseure und Schauspieler mitteilen. Die im Anhang abgedruckten Dokumente zur nationalsozialistischen Filmpolitik enthalten Reden von Goebbels, Ausführungen zum Film als ’geistigem Führungsmittel’ und Regelungen des Filmwesens. Eine alphabetische Liste der deutschen Spielfilme 1933 bis 1945 mit Angaben über Kategorie, Jahr und Prädikat schließt das Buch ab. Ein großer Teil dieser Dokumente und Angaben ist noch nie vorher veröffentlich worden. Es ist zu hoffen, dass Albrecht di Fragen, die diese Untersuchung noch offen lässt, in späteren Arbeiten beantwortet und dass er die Ergebnisse seiner bahnbrechenden Untersuchung für den gesamten Bereich der Ideologie und Propaganda des Dritten Reiches auswertet. Die Fülle des von ihm vorgelegten Materials ermöglicht Erkenntnisse sowohl über das Dritte reich wie über den Mechanismus von Massenmedien, die weder in Albrechts Buch noch in dieser Besprechung Platz gefunden haben.“

Erwin Leiser in: Neue Zürcher Zeitung, 8. November 1969

1998 publizierte der Historiker Felix Moeller die analytische Monografie „Der Filmminister. Goebbels und der Film im Dritten Reich“ im Henschel Verlag, Berlin, auf die hier ausdrücklich hingewiesen wird.