Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Juni 2009

Peter Moormann (Hg.):
Klassiker der Filmmusik
Philipp Reclam jun., Stuttgart 2009
310 S., 8,80 €
ISBN 978-3-15-018621-3

Peter Moormann (Hg.):
Klassiker der Filmmusik

Wenn man bedenkt, wie wichtig die Musik für die Rezeption des Films ist, muss man sich wundern, dass die Literatur zu diesem Thema noch sehr übersichtlich wirkt. Insofern trifft dieses kleine, aber feine Reclam-Buch genau ins Schwarze.

Als „Klassiker“ gelten dem Herausgeber 107 Scores der internationalen Filmgeschichte, beginnend mit THE BIRTH OF A NATION (1915), endend mit DAS LEBEN DER ANDEREN (2006). Sechs Beispiele aus der Stummfilmzeit machen deutlich, wie prägend auch in der Frühzeit des Mediums die musikalische Begleitung der Bilder war. Dennoch beginnt die große Zeit der Filmmusik erst in den frühen Dreißigern, und sie ist eng mit den Genres des Hollywood-Films verbunden: dem Western, dem Musical, dem Horrorfilm, dem Melodram. Oft stammen die Komponisten der großen amerikanischen Soundtracks aus Europa. Sie orientieren sich zunächst stark an Romantik und Leitmotivik. In den folgenden Jahrzehnten kommen aber immer neue Elemente hinzu: Atonalität und Zwölftontechnik, Folk- und Jazzmusik, Pop und Rock, Elektronik und Synthetik. Der Umgang mit Musik im Film wird einerseits komplexer und gewagter, andererseits gerät auch der symphonische Gestus nie in Vergessenheit. Die modischen Trends waren in der Regel an den Oscar-Nominierungen erkennbar. Zu den Gewinnern zählten oft die Populisten (zum Beispiel John Williams), gelegentlich auch die Experimentierer (wie Bernard Herrmann).

„Klassiker der Filmmusik“ sind in der vorliegenden Auswahl vor allem amerikanische Titel, die auch im westlichen Europa im Kino dominierten und stilbildend wirkten. Immerhin finden zehn deutsche Filme Beachtung: Murnaus NOSFERATU (Komponist: Hans Erdmann), Langs METROPOLIS (Gottfried Huppertz) und M (Ton: Adolf Jansen), Sternbergs DER BLAUE ENGEL (Friedrich Holländer), Thieles DIE DREI VON DER TANKSTELLE (Werner Richard Heymann), Dudows KUHLE WAMPE (Hanns Eisler), Schünzels VIKTOR UND VIKTORIA (Franz Doelle), Schlöndorffs DER JUNGE TÖRLESS (Hans Werner Henze), Tykwers LOLA RENNT (Tykwer, Heil, Klimek) und Henckel von Donnersmarcks DAS LEBEN DER ANDEREN (Gabriel Yared, Stéphane Moucha). Jede Auswahl ist angreifbar, am besten verspricht man gleich einen zweiten Band.

Der Herausgeber Peter Moormann (geboren 1979) hat in Mainz Filmwissenschaft studiert und ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Musikwissenschaft der Berliner Freien Universität. Diese Kombination qualifiziert ihn für so eine Edition. Er hat sich zwanzig Autorinnen und Autoren als Mitarbeiter gesucht, die überwiegend aus dem Musikbereich (Claudia Bullerjahn, Britta Heiligenthal, Christoph Hust, Anselm C. Kreuzer, Peter Niedermüller), aber auch aus der Filmecke (Julia Gerdes, Sascha und Thomas Koebner, Roman Mauer) stammen. Ihre Texte sind zugespitzt, kommen in der Regel schnell auf die Musik zu sprechen und behandeln die spezifischen Charakteristika des jeweiligen Scores. Kurze biografische Hinweise zu den Komponisten sind eingearbeitet. Der Band enthält logischerweise keine Filmfotos, dafür sind an vielen Stellen Partiturauszüge wichtiger Musikmotive abgebildet.

Zu den positiven Erfahrungen mit der schwierigen Buchbranche gehört, dass es einigen Verlagen gelingt, Tradition und Moderne zu verbinden. So hat der Reclam Verlag inzwischen das Medium Film als Thema in seine „Universal-Bibliothek“ integriert. Nach der elfbändigen Geschichte der Filmgenres sind die „Klassiker der Filmmusik“ ein Einzelband. Und in den kommenden Jahren folgen die großen Filmepochen in neun Bänden. Die „Universal-Bibliothek“ gibt es seit 1867.