Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
April 2008

Thomas Brandlmeier
Kameraautoren. Technik und Ästhetik

Schüren Verlag, Marburg 2008
512 S., 38 Euro
ISBN 978-3-89472-486-3

Thomas Brandlmeier:
Kameraautoren.
Technik und Ästhetik

Auf dieses Buch haben wir lange warten müssen – wie der Verlag auf das fertige Manuskript des Autors. Aber das Warten hat sich gelohnt. Das Motto greift weit zurück in die Menschheitsgeschichte. Es stammt aus der „Genesis“ und verweist auf die Schöpfung: „Es werde Licht!“ Das ist für Kameraleute bekanntlich eine Voraussetzung, die als Teil ihrer Arbeit gilt. So gesehen, bekommt dieses Buch bereits den Anspruch einer kleinen Bibel.

Thomas Brandlmeier (*1950), Direktor der Hauptabteilung Ausstellungsbetrieb des Deutschen Museums in München, hat sich über Jahrzehnte speziell mit dem Schaffen internationaler Kameraleute auseinandergesetzt und viele Einzelporträts publiziert. Insofern haben wir es hier mit einer Art Alterswerk zu tun: sachkundig und abgeklärt. Den größten Raum nehmen 45 essayistische Porträts ein, von Alékan bis Zsigmond. Sie beschreiben konkret, anschaulich und die jeweilige Bedeutung charakterisierend das Werk herausragender Kameraautoren. „Autoren“ sind sie für Brandlmeier, weil sie – neben den Drehbuchschreibern und den Regisseuren – als die wichtigsten Kreativen im kollektiven Produktionsprozess eines Films gelten. In der Auswahl dominieren die großen Namen aus Hollywood, Deutschland und Frankreich. Das hat einerseits eine Logik, weil sie in der Hall of Fame den nachhaltigsten Ruhm für sich in Anspruch nehmen können, und provoziert andererseits sofort den Ruf nach einem zweiten Band, weil man eben doch so viele Namen vermisst.

Die Zwölf aus Deutschland sind: Ballhaus, Courant, Ertl, Freund, Hoffmann, Krause, Monti, Rittau, Schüfftan, Seeber, Vacano, Wagner. Das deckt die ersten fünfzig Jahre der deutschen Filmgeschichte hinlänglich ab und lässt für die letzten fünfzig Jahre zu viele Lücken spürbar werden. (Aber das ist wohl das Schicksal, wenn man so ein Buch macht: jeder entdeckt vor allem das, was fehlt.) Brandlmeiers Stärke, deswegen sind mehr Kameraleute aus den frühen Jahrzehnten repräsentiert, ist das Erkennen und Beschreiben von Innovationen, von Entdeckungen im Technischen und Ästhetischen. Hier sind auch die 18 Amerikaner (beginnend mit Bitzer, endend mit Cronenweth) angemessen gewürdigt. Besonders interessant finde ich das Kapitel über die Zusammenarbeit von Chaplin und seinem Kameramann Rollie Totheroh (der in Chaplins Autobiografie nicht einmal erwähnt wird). Ansonsten: sieben Franzosen, drei Italiener, je ein Japaner, Mexikaner, Russe und Skandinavier. Damit ist zunächst einmal ein Fundament geschaffen. Wer baut darauf auf? Wer setzt das fort?

Brandlmeiers Buch teilt sich auf in drei Viertel Porträts und ein Viertel Geschichte. Zuerst gibt es, sehr knapp, zwei Kapitel zur Entwicklung der Technik. Sie liefern den historischen Überblick und klären die wichtigsten Arbeitsvoraussetzungen für die Kameraarbeit. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang auch ein von Rüdiger Laske zusammengestelltes „Glossar“ im Anhang des Buches. Dann folgen sechs exzellente Kapitel zur Geschichte der Kameraführung: „Deutscher Kamerastil bis 1933“, „DER LETZTE MANN und die entfesselte Kamera“, „VARIETÉ und das moderne Sehen“, „Die britische Kameraschule“, „Europäische Emigranten und der visuelle Stil des film noir“ und „Farbe im Kino“. Auch hier dominieren die ersten Jahrzehnte der Filmgeschichte und in diesem Zusammenhang die deutsche der Weimarer Republik. Dafür gibt es, wie gesagt, zutreffende Gründe. Nicht beantwortet wird die Frage: Hat sich die Arbeit der Kameraautoren in den letzten dreißig Jahren verändert? Und wenn ja – wie?

Ein Buch über Kameraleute braucht gute Bilder. Die 565 Abbildungen des Bandes sind technisch brillant und ergeben ein spannendes Wechselspiel zu Brandlmeiers Text. Der Autor hat für sein Werk viel Zeit gebraucht. Manche sprechen von einer schweren Geburt. Auf das Kind darf er stolz sein. Und der Schüren Verlag kann stolz darauf sein, dass in Zusammenarbeit mit Karl Prümm und dem „Marburger Kamerapreis“ inzwischen schon fünf vertiefende Einzelporträts erschienen sind und das Buch „Kamerastile im aktuellen Film“. So wächst bei uns die zugeneigte Aufmerksamkeit für Kameraautoren.