Isabella Rossellini/Lothar Schirmer (Hg.):
Ingrid Bergman.
Ein Leben in Bildern

Sie kam aus Europa, wurde ab 1939 durch David O. Selznick zum größten Star des amerikanischen Kinos und kehrte zehn Jahre später nach Europa zurück. Ihre Filme und ihr Leben wurden von der Öffentlichkeit neugierig und später auch kritisch begleitet. Sie hat mit großen Regisseuren gearbeitet: Gustaf Molander (sechs Filme), Michael Curtiz, George Cukor, Alfred Hitchcock (drei Filme), Roberto Rossellini (sechs Filme), Jean Renoir, Anatole Litvak (zwei Filme), Ingmar Bergman. Sie hat insgesamt 48 Filme gedreht und drei Oscars gewonnen. Ingrid Bergman (1915-1982) war eine Figur der Filmgeschichte und der Zeitgeschichte. Man kann ihr Leben – das Buch beweist es – auch in Bildern erzählen. Ihre Tochter Isabella Rossellini und der Verleger Lothar Schirmer haben einen Prachtband ediert, der alle bibliophilen Wünsche erfüllt. Im Großformat, vier Kilo schwer.

Sieben Kapitel strukturieren das Buch: I. Schweden 1915 bis 1939. Das sind Kindheit und Jugend, die ersten Filme in ihrem Heimatland, meist unter der Regie von Gustav Molander, die Heirat mit dem Arzt Petter Lindström, die Geburt der Tochter Pia, das Intermezzo in Berlin (der Film DIE VIER GESELLEN von Carl Froelich) und der Abschied in Richtung USA. II. Hollywood 1939 bis 1945. Das ist die Zeit des Zweiten Weltkriegs, es sind ihre großen Filme: CASABLANCA, FOR WHOM THE BELL TOLLS, GASLIGHT, SPELLBOUND (ihr erster Hitchcock-Film) und THE BELLS OF ST. MARY’S. III. Kriegsende in Europa – Neue Horizonte 1945 bis 1949. Das ist die Zeit von Theatererfolgen und vier Filmen: NOTORIOUS (der zweite Hitchcock-Film), ARCH OF TRIUMPH, JOAN OF ARC und UNDER CAPRICORN (der dritte Hitchcock-Film). IV. Der Skandal: Die Verbindung mit Rossellini 1949 bis 1955. Das ist die Flucht nach Rom, die Heirat mit dem italienischen Regisseur Roberto Rossellini, die Geburt des Sohnes Roberto und der Zwillinge Isotta-Ingrid und Isabella, und es sind ihre italienischen Filme unter der Regie von Rossellini: STROMBOLI, EUROPA ’51, VIAGGIO IN ITALIA, SIAMO DONNE, LA PAURA. V. Trennung von Rossellini 1956 bis 1957. Das sind die beiden Jahre in Paris, es ist die Zusammenarbeit mit Jean Renoir (ELENA ET LES HOMMES) und Anatole Litvak (ANASTASIA), die Scheidung von Rossellini. VI. Neue Karriere – neues Glück 1958 bis 1965. Das sind die Filme INDISCREET von Stanley Donen, THE INN OF THE SIXTH HAPPINESS von Mark Robson, GOODBYE AGAIN von Litvak, THE VISIT von Bernhard Wicki, THE YELLOW ROLLS-ROYCE von Anthony Asquith, und es ist die dritte Ehe, mit dem Theateragenten Lars Schmidt. VII. Theater und späte Filme – Krankheit, Abschied und Tod 1965 bis 1982. Das sind die Filme CACTUS FLOWER von Gene Saks, MURDER ON THE ORIENT EXPRESS von Sidney Lumet, A MATTER OF TIME von Vincente Minnelli, HERBSTSONATE von Ingmar Bergman, der Fernsehfilm über Golda Meir, und es ist ihr Tod im August 1982.

385 Photographien aus der Ingrid Bergman-Collection des Wesleyan Cinema Archives und vielen anderen öffentlichen und privaten Sammlungen bilden den Kern des Buches. Die eher kurzen, informativen Texte orientieren sich vor allem an der Autobiographie von Ingrid Bergman und werden mit ausgewählten Zitaten ergänzt. Ein langes, beeindruckendes Interview mit Ingrid Bergman von John Kobal aus dem Jahr 1972 wird erstmals in deutscher Sprache publiziert. Liv Ullmann hat ein Vorwort geschrieben. Der Anhang enthält eine kurze Ingrid Bergman-Biographie, eine Filmographie, ein Titel- und Personenregister.

Ich weiß nicht, was Ingrid Bergman der jüngeren Generation bedeutet. Ich erinnere mich, dass ich viele Filme mit ihr in den 50er Jahren gesehen habe: sie hießen in Deutschland WEM DIE STUNDE SCHLÄGT, DAS HAUS DER LADY ALQUIST, DIE GLOCKEN VON ST. MARIEN, ICH KÄMPFE UM DICH, WEISSES GIFT, SKLAVIN DES HERZENS. Ich fand sie in der Regel sehr spannend und berührend. CASABLANCA und WEISSES GIFT/BERÜCHTIGT wurden in der Bundesrepublik in den 50er Jahren gekürzt, die Hinweise auf die Nazi-Zeit waren eliminiert. Das ist Ende der 60er/Anfang der 70er durch die Fernsehanstalten weitgehend repariert worden. Die Rossellini-Filme habe ich erst in den 60er Jahren gesehen, der in Deutschland gedrehte Film ANGST mit Mathias Wieman hat mich beeindruckt. Von den späten Filmen kenne ich nur MORD IM ORIENT-EXPRESS und HERBSTSONATE. Ingrid Bergmans Synchronstimmen waren damals Tilly Lauenstein, Eva Vaitl, Marianne Kehlau und Dagmar Altrichter. Originalfassungen mit Bergmans Stimme kenne ich nur aus jüngster Zeit. Ich halte Ingrid Bergman für eine herausragende Filmschauspielerin. Sie hat viel Theater gespielt, ich denke, sie hatte auch eine große Präsenz auf der Bühne. Ihr Privatleben hat mich eher weniger interessiert. Als ihre Tochter Isabella Rossellini 2006 Gast der Berlinale war, habe ich im CinemaxX 6 ein Gespräch mit ihr geführt und fand sie überaus sympathisch. Eine Frau mit Charisma.

Natürlich sind viele Bilder dieses Buches bekannt. Aber die Mehrzahl wird hier zum ersten Mal veröffentlicht. Ihre chronologische Präsentation, das Nebeneinander von Filmfotos und Privatfotos und die große Ausstrahlung von Ingrid Bergman öffnen unseren Blick für ein Lebenswerk, das wohl einen beispielhaften Charakter hat. 2015 wäre ihr 100. Geburtstag zu feiern.

Titelfoto: Publicity Shot für NOTORIOUS (1945). Foto: Ernest Bachrach.