Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
August 2007

Armin Loacker (Hg.)
Im Wechselspiel
Paula Wessely und der Film

Verlag Filmarchiv Austria, Wien 2007

444 Seiten, 24,90 €

ISBN 978-3-902531-14-8

Armin Loacker (Hg.):
Im Wechselspiel.
Paula Wessely und der Film


In diesem Jahr wäre sie hundert geworden. Paula Wessely starb, mit 93, im Mai 2000. Sie war die Inkarnation einer Österreicherin: mädchenhaft und mütterlich, eigensinnig und fürsorglich, konservativ und weltoffen.

Sie war ein Star vor allem auf der Bühne und gehörte viele Jahrzehnte lang zum Ensemble des Burgtheaters. Ihre Präsenz im Film dauerte von den dreißiger bis in die späten fünfziger Jahre. Sie hat einen einzigen herausragenden Film gedreht: MASKERADE von Willi Forst (1934). Es war ihr erster Film. Ihm folgten noch 27 andere, sehr unterschiedliche, darunter das hässliche Propagandastück HEIMKEHR von Gustav Ucicky (1940) und das reaktionäre Homosexuellendrama ANDERS ALS DU UND ICH von Veit Harlan (1957). Sie wurde vom Publikum und von den Theaterkritikern geliebt, aber von vielen Filmkritikern (und vor allem Filmkritikerinnen) gehasst.

Das Buch zum 100. Geburtstag, herausgegeben vom Filmarchiv Austria (dem man für seine Publikationen ein großes Kompliment machen muss), ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit der populärsten österreichischen Schauspielerin des 20. Jahrhunderts. Sieben Beiträge fügen sich zu einem komplexen Wessely-Bild. Im Zentrum steht der Text des Herausgebers über „Paula Wesselys Filmkarriere im Spiegel ihrer Zeit“. Loacker nutzte für seine Produktionsgeschichte vor allem den inzwischen zugänglichen Nachlass, der im Österreichischen Theatermuseum Wien verwahrt wird . Es wird deutlich, wie zögerlich Paula Wessely bei der Wahl der Rollen war, wie naiv und folgsam sie – andererseits – den Nationalsozialisten ins Netz ging. Dafür hat sie sich später entschuldigt.

Die Richtung der Publikation – faktografisch, analytisch und ideologiekritisch – gibt Georg Seeßlen vor, der in seinem einleitenden Essay Argumentationsketten für die Liebe und den Hass entwickelt, mit denen sich Paula Wessely konfrontiert sah. „Sie hat für die Leinwand die gutdeutsche Frau erfunden, die sich voller Energie der Rückgewinnung der moralischen Ordnungen widmet, das maria-theresianische Wesen, das den Status quo verteidigt, wenn es sein muss gegen die eigenen Interessen, gegen die eigene Lebenslust ohnehin, und wenn es sein muss mit Gewalt. Man sieht einer Frau zu, die sich die Männer erschafft, denen sie sich unterwerfen kann.“ Seeßlen ist wieder ganz auf der Höhe seiner brillanten, ironischen Süffisanz.

Christoph Brecht und Ines Steiner schreiben über Wesselys „repräsentative Funktion“ und ihre Filme zwischen 1934 und 1944, Karin Moser über die „weibliche Repräsentantin österreichischer Identität und Kontinuität“, Robert Buchschwenter über Wesselys Arbeit für das Fernsehen, Gernot Hiß über die „Kritik im Wandel der Zeiten“.

Abbildungen in hervorragender Qualität und eine sorgfältig erarbeitete Filmografie gehören zum Standard der Publikationen des Filmarchivs Austria. Die Biografie ist in den Text von Seeßlen integriert.