Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Oktober 2015

Edgar Reitz
Heimat. Eine deutsche Filmchronik
Die Kinofassung
Schüren Verlag. Marburg 2015
544 S. 38,00 €
ISBN 978-3-89472-999-8

Edgar Reitz:
Heimat. Eine deutsche Filmchronik.
Die Kinofassung

Der Spielfilmzyklus heimat – EINE DEUTSCHE CHRONIK von Edgar Reitz gehört zu den herausragenden deutschsprachigen Film- und Fernsehwerken des zwanzigsten Jahrhunderts. 1981/82 in Schwarzweiß und Farbe gedreht, ist der Film 1984 sowohl im Kino wie im Fernsehen gezeigt worden, fand international ein großes Echo und gilt bis heute als ein Schlüsselwerk zur deutschen Geschichte, wie sie sich in der Provinz gespiegelt hat. Die Kinoversion von HEIMAT wurde in den vergangenen Jahren aufwändig restauriert und digitalisiert. Und Edgar Reitz hat jetzt im Schüren Verlag ein Protokoll des Films mit vielen Abbildungen publiziert, das uns einen – wenn man so will – literarischen Zugang zu diesem Epos ermöglicht.

1985 ist im Greno-Verlag das Drehbuch des Films von Peter Steinbach und Edgar Reitz veröffentlicht worden. Natürlich hat der Regisseur bei der Realisierung viele Szenen verändert, so dass es sinnvoll war, ein Protokoll zu erarbeiten, das sich im Übrigen an der Kinofassung orientiert. Im Gegensatz zur Fernsehfassung in elf Teilen ist die Kinoversion in sieben Kapitel geteilt; sie hat eine Länge von 887 Minuten, die Fernsehfassung dauert 931 Minuten. Ich bin sicher, dass sich Medienwissenschaftler bald mit den Unterschieden der beiden Fassungen beschäftigen werden.

Bei der Realisierung der heimat ist Edgar Reitz in vieler Hinsicht von Normen abgewichen: dramaturgisch, ästhetisch, technisch. Die Komplexität der Handlung, die Vielzahl der Figuren und der große zeitliche Bogen, den der Film umspannt, machten besondere künstlerische Entscheidungen notwendig. Dies betrifft vor allem die spezielle Mischung von Schwarzweiß- und Farbaufnahmen, die nicht in vorhersehbarer Weise wechseln. Über die Gründe, warum bestimmte Szenen in Schwarzweiß und andere in Farbe gedreht wurden, ist viel gerätselt worden. Auch die Übergänge sind fließend. Dem jeweiligen Wechsel lagen subjektive Entscheidungen des Regisseurs zugrunde, die sich nur im Gesamtzusammenhang würdigen lassen. Sie gehören unabdingbar zur emotionalen Wirkung des Films, vielleicht gerade weil sie keiner orthodoxen Logik folgen. Auch das Buch bringt zu diesem Thema, wie zu erwarten war, keine neuen Erkenntnisse.

Die sieben Kapitel sind jeweils in Szenen bzw. Schauplätze unterteilt und entsprechend nummeriert. Die Kapitel zwei bis sieben beginnen immer mit den vom Dorf-Original Glasisch kommentierten Familienfotos, die aber natürlich nicht alle abgebildet sind. Der Dialekt ist in den Dialogen bestens verständlich, die Szenenbeschreibungen lesen sich spannend, weil Reitz präzise beschreibt, was in den Bildern zu sehen ist, und die Zeitsprünge sind gut nachvollziehbar. Für HEIMAT-Fans ist die Lektüre ein großer Gewinn.

In seinem Einleitungstext beschreibt der Regisseur, wie es zur Restaurierung gekommen ist und welche technischen Schwierigkeiten zu überwinden waren. Das ist ein weiterer Beitrag zum Thema „Rettung des Film-Erbes“. Der Anhang enthält die wichtigsten Daten und Fakten zur Produktion (zum Beispiel: 282 Drehtage, 54 Mitarbeiter, 56 Schauspieler, 159 Laiendarsteller, 5.865 Komparsen), die Drehorte, Abbildungen der Hauptdarsteller mit Beschreibung ihrer Rollen und deren Lebensdaten, Auszüge aus Pressestimmen (mit zwei langen Passagen aus Texten von Karsten Witte in der Zeit und einem längeren Text aus der Titelgeschichte des Spiegel vom 1.10.1984), Gedanken von Edgar Reitz zur Entstehungsgeschichte von HEIMAT, Auszüge aus seinem Produktionstagebuch über die Zusammenarbeit mit dem Kameramann Gernot Roll und ein chronologisches Werkverzeichnis seiner Filme.

Die restaurierte Kinofassung von HEIMAT ist inzwischen als DVD und Blu-ray bei Arthaus erschienen..

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