Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Mai 2023

Robert Zion
Fritz Lang in Amerika
Saarbrücken, 35 Millimeter 2023
224 S. (Textband), 112 S. (Bildband), 21,75 €
ISBN 978-3-00-072012-3

Robert Zion:
Fritz Lang in Amerika

Er gilt international als einer der großen Regisseure der Weimarer Republik, verließ Deutschland nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, emigrierte zunächst nach Paris und dann nach Los Angeles. Dort drehte er zwischen 1935 und 1956 insgesamt 22 Filme. Sie werden im Textband von Robert Zion präzise beschrieben und analysiert.

Im Juni 1934 fuhr Fritz Lang zusammen mit David O. Selznick, dem Vize-Chef der MGM und Schwiegersohn von Louis B. Mayer, mit der „Ile des France“ nach New York und anschließend nach Los Angeles. Die folgenden Jahre waren geprägt von Höhen und Tiefen, Erfolgen und Misserfolgen.

Dies sind die 22 Filme, die Lang in den USA realisiert hat: der sozial-kritische Kriminalfilm FURY (1936) mit Sylvia Sidney und Spencer Tracy, der frühe Film noir YOU ONLY LIVE ONCE (1936) mit Sylvia Sydney und Henry Fonda, der musikalische Gangsterfilm YOU AND ME (1938) mit Sylvia Sydney und George Raft, die Western THE RETURN OF JESSE JAMES mit Henry Fonda und Gene Tierney und WESTERN UNION mit Robert Young und Randolph Scott (beide 1940), das antinazistische Drama MAN HUNT (1941) mit Walter Pidgeon und Joan Bennett, das zeithistorische Drama HANGMEN ALSO DIE (1943) mit Brian Donlevy und Walter Brennan (Co-Autor: Bert Brecht), der Spionage-Thriller MINISTRY OF FEAR (1944) nach dem Roman von Graham Green mit Ray Milland und Marjorie Reynolds, der Film noir THE WOMAN IN THE WINDOW (1944) mit Joan Bennett und Edward G. Robinson, der Thriller SCARLETT STREET (1945) mit Edward G. Robinson und Joan Bennett, der Spionagefilm CLOAK AND DAGGER (1946) mit Gary Cooper und Lilli Palmer, der Film noir SECRET BEYOND THE DOOR (1947) mit Joan Bennett und Michael Redgrave, das Krimi-Melodram HOUSE BY THE RIVER (1949) mit Louis Hayward und Jane Wyatt, der Kriegsfilm AMERICAN GUERILLA IN THE PHILIPPINES (1950) mit Tyrone Power und Micheline Presle, der Western RANCHO NOTORIOUS (1951) mit Marlene Dietrich, Arthur Kennedy und Mel Ferrer, die Film noirs CLASH BY NIGHT (1952) mit Barbara Stanwyck und Paul Douglas und THE BLUE GARDENIA (1953) mit Anne Baxter und Richard Conte, der Kriminalfilm THE BIG HEAT (1953) mit Glenn Ford und Gloria Grahame, das Drama HUMAN DESIRE (1954) mit Glenn Ford und Gloria Grahame, der historische Abenteuerfilm MOONFLEET (1955) mit Stewart Granger, George Sanders und Joan Greenwood, der Medienfilm WHILE THE CITY SLEEPS (1955) mit Dana Andrews und Rhonda Fleming, der Kriminalfilm BEYOND A REASONABLE DOUBT (1956) mit Dana Andrews und Joan Fontaine.

Jeden dieser Filme analysiert der Autor auf sechs bis acht Seiten. Er erzählt den Inhalt, schildert die Produktionsbedingungen und sucht nach den individuellen und gesellschaftlichen Abgründen, die im Film dargestellt werden. Einbezogen sind die deutschen Produktionen M (1931), DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE (1932) und DIE TAUSEND AUGEN DES DR. MABUSE (1960). Sein Analyseschema ist überzeugend und führt zu wichtigen Erkenntnissen.

Fünf Teile strukturieren den Text: 1. „Vom Übermenschen zum Mr. Jedermann“ (über FURY, YOU ONLY LIVE ONCE und YOU AND ME), 2. „Am Urgrund des Kinos (Das Fotogramm und der filmische Raum). 3. „Der tragische Charakter“ (über THE WOMAN IN THE WINDOW, SCARLET STREET, CLOAK AND DAGGER und SECRET BEYOND THE DOOR), 4. „Bestie Mensch” (über HOUSE OF THE RIVER, AMERICAN GUERILLA IN THE PHILIPPINES, CLASH BY NIGHT, THE BLUE GARDENIA, THE BIG HEAT, HUMAN DESIRE und MOONFLEET), 5. „Ein kalter Blick aus der Welt“ (über WHILE THE CITY SLEEPS und BEYOND A REASONABLE DOUBT). Zwei Exkurse widmen sich Filmen, die als Auftragsarbeiten entstanden sind: THE RETURN OF JESSE JAMES, WESTERN UNION und RANCHO NOTORIOUS.

In der Essenz geht es in den Filmen immer um den Kampf des Individuums gegen die Wirkzusammenhänge der Gesellschaft, egal, welche Resultate am Ende erzielt werden. Oft ist das Ende ungerecht. Betroffen sind davon Männer wie Frauen. Die Bildsprache der Filme ist eigenwillig. 16 der amerikanischen Filme hat Lang in schwarzweiß gedreht. Augen und Hände spielen in den Bildern eine dominante Rolle. Die Montage hat eine große Bedeutung.

Bei den biografischen Fakten profitiert der Autor von Peter Bogdanovich, Lotte H. Eisner, Norbert Grob, Patrick McGilligan und Cornelius Schnauber. In den Interpretationen wird häufig auf Frieda Grafes Essay „Für Fritz Lang – Einen Platz, kein Denkmal“ (1976) verwiesen. Ihrem Gedenken ist das Buch gewidmet.

Zum Textband (224 Seiten) gibt es einen Bildband (112 Seiten) mit Fotos vom Set, den Filmen, Medien/Indizien, dem filmischen Raum, Fotogrammen und „so genannten Stars“. Sie haben eine sehr gute Qualität.

Wie schon bei seinem Buch über Rhonda Fleming (mein Filmbuch des Monats September 2020) beeindrucken mich die Präzision und die spürbare Empathie des Autors Robert Zion. Ich bin gespannt auf sein nächstes Werk.

Mit Filmografie, Bibliografie und Register.

Coverfoto: Joan Bennett in SCARLET STREET (1948)

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