Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
März 2016

Perikles Monioudis
Frederick
dtv, München 2016
222 S., 19,90 €
ISBN 978-3-423-28079-2

Perikles Monioudis:
Frederick

Er war einer der großen Stepptänzer (Hoofer) des 20. Jahrhunderts und hatte dabei vor allem zwei Partnerinnen: zuerst, auf der Bühne, seine Schwester Adele, dann, auf der Leinwand, den Filmstar Ginger Rogers. Fred Astaire (1899-1987) ist eine Legende, über die man auch einen biografischen Roman schreiben kann. Das hat der Schweizer Autor Perikles Monioudis getan. Aus wechselnder Perspektive und mit chronologischen Sprüngen erzählt er die Lebensgeschichte von Frederick Austerlitz, dessen Eltern Einwanderer aus Europa waren.

Schon als Kind hat er getanzt. Mit seiner drei Jahre älteren Schwester trat er auf Konzerthaus- und Vaudeville-Bühnen auf. Mit dem Stück „Over the Top“ begann die Karriere am Broadway. Sensationelle Erfolge hatten die Geschwister im Empire-Theatre in London. Adele heiratete 1931 einen englischen Lord, Fred(erick) ging nach Hollywood und wurde von RKO unter Vertrag genommen. Zehn Filme drehte er ab 1933 mit Ginger Rogers, die sich dann von ihm trennte. Fred fand andere Partnerinnen: Rita Hayworth, Eleanor Powell, Judy Garland, Cyd Charisse, Audrey Hepburn. Von 1933 bis zu ihrem Tod, 1954, war er mit Phyllis Livingston Potter verheiratet. Er war immer sein eigener Choreograph, er sang selbst, auch wenn seine Stimme nicht so tragfähig war wie seine Beine. Seit den 1970er Jahren wurde er nur noch als Schauspieler eingesetzt. Einen Oscar hat er nie bekommen.

In elf Kapiteln erzählt Perikles Monioudis das Leben von Frederick – mal aus der Perspektive des Protagonisten, mal aus der Sicht der Schwester Adele, mal aus dem Blickwinkel der Mutter Ann. Die Zeitebenen wechseln. Am Anfang ist Frederick noch ein kleiner Junge. Dann spielt er bereits leidenschaftlich Golf in Bel Air. Im dritten Kapitel übernimmt ein Bühnenautor die Erzählerrolle, im Waldorf Astoria 1914. Ein Gastspiel in London 1927 ruft das Jahr 1927 in Erinnerung. In einem Güterzug erlebt Frederick 1908 eine Reise nach New York. Mit der Arbeit in Hollywood in den 30ern kommt der Komponist Irving Berlin ins Spiel. Die Mutter Ann erhält dann 1923 in New York Briefe von Adele aus London. Ein Postbote spielt dabei eine geheimnisvolle Rolle. Adele bindet sich – im achten Kapitel – an den Lord Charles Cavendish, den sie heiratet. Frederick vermählt sich mit Phyllis Potter, nachdem sie sich von ihrem Mann getrennt hat. Das zehnte Kapitel konzentriert sich auf Freds Filme mit Ginger Rogers. Und am Ende flüchtet Fred in Altersvisionen.

Perikles Monioudis erzählt in seinem Roman von Selbstzweifeln und Ängsten, von Glamour und Erfolgen, von Beziehungen und Einsamkeit. Er ist dabei – auch in den Fakten – nah an der Biografie von Fred Astaire. Aber er schafft durch die unterschiedlichen Erzählperspektiven und die Zeitsprünge Distanzen, die den Roman zu einem eigenen Kosmos werden lassen.

Ich zitiere einen Absatz des Romans, der auf wunderbare Weise eine zentrale Szene aus dem Film TOP HAT beschreibt: „Well, if Madge doesn’t care, I certainly don’t, sagte Ginger ein Jahr später in der RKO-Produktion TOP HAT, als jene Madge ihr vom Tisch aus Zeichen machte, Frederick, den Ginger irrtümlicherweise für Madges Gatten hielt, auf dem Parkett enger zu fassen; neither do I, antwortete Frederick, der Ginger unaufdringlich führte, all I know is, that it’s – Frederick zog Ginger näher an sich heran – heaven, I’m in heaven, sang er, and my heart beats so that I can hardly speek, das sollte also der Himmel sein? And seem to find the happiness I seek, when we’re out together dancing cheek to cheek. Er drehte sich mit Ginger einmal um die Achse, ihre Wangen berührten sich leicht, heaven, I’m in heaven, and the cares that hang around me thro’the week, sang Frederick, während Ginger – in dem hellweißen Art-déco-Ballsaal vor der Kamera David Abels – geschmeichelt an seinen Lippen hing, seem to vanish like a gambler’s lucky streak, when we’re out together dancing cheek to cheek. Sie erreichten die weiße Wand, Frederick stützte sich mit dem Arm daran ab, oh! I love to climb a mountain, and to reach the highest peak, er bewegte seinen freien Arm gestisch, but it doesn’t thrill me half as much, sie tanzten drei Schritte, ihre Wangen berührten sich wieder, as dancing cheek to cheek; Frederick stand jetzt etwas mit dem Rücken zur Kamera, stützte sich mit dem anderen Arm ab, oh! I love to go out fishing, in a river or a creek, but I don’t enjoy it half as much, as dancing cheek to cheek. Wieder drehte sie sich; Frederick ließ von Ginger ab, wurde auch in der Gestik einen Moment lang melodramatisch und fordernd, dance with me, I want my arm about you, the charm about youwill carry me throu’to heaven, I’m in heaven, sang Frederick, und Pandro rief Cut! – bevor Frederick und Ginger einander in einer neuen Einstellung durch die Passarelle zogen, die zum weiten Pavillon führte; sie drehten, steppten, kamen an der weißen Brüstung zu stehen, wo Frederick seinen Ellbogen abstützte.“ (S. 191/192). Was für eine schöne Beschreibung dieser berühmten Filmszene!

Perikles Monioudis, Sohn griechischer Eltern, geboren 1966 in Glarus/Schweiz, hat nach dem Studium der Soziologie und Politologie zwölf Jahre in Berlin gelebt und wohnt seit 2007 in Zürich. Für seinen Roman „Die Verwechslung“ erhielt er 1993 den Buchpreis der Stadt Zürich. Er hat Erzählungen und Romane geschrieben, an vielen Universitäten in Europa und den USA gelehrt, war bis 2013 Redakteur der Neuen Zürcher Zeitung und arbeitet – nicht erschrecken! – zurzeit für den Weltfußballverband FIFA.