Filmbuch des Jahres
2011
Peter C. Slansky
Filmhochschulen in Deutschland
Geschichte, Typologie, Architektur
edition text + kritik, München 2011
858 S., 38 €
ISBN 978-3-86916-116-7
Peter C. Slansky:
Filmhochschulen in Deutschland.
Geschichte, Typologie, Architektur
Peter C. Slansky, Leiter der Technikabteilung der Münchner Hoch-schule für Fernsehen und Film, hat nach jahrelangen Recherchen ein dickes Buch zur Geschichte der deutschen Filmhochschulen publiziert. Es ist klug konzipiert, spannend geschrieben und gibt Antworten auf viele Fragen.
Hier hat ein Autor Schwerstarbeit geleistet. Das Werk hat einen Umfang von 858 Seiten, enthält 1.290 Zitate, und das Literatur-verzeichnis beansprucht allein 34 Seiten. Peter Slansky hat bei seinen Recherchen erstaunlich viel zutage gefördert. Sein Vorteil: er wusste ziemlich genau, was er suchte, er fand frühzeitig eine Struktur, hat mit vielen Zeitzeugen geredet und kann wichtiges von weniger wichtigem unterscheiden. In seiner Einführung definiert er Begrifflichkeit und methodischen Ansatz (Historiografie), skizziert die 15 Institutionen, die er genauer darstellt, und auf Seite 71 beginnt mit der nicht realisier-ten „Deutschen Filmhochschule Berlin“ (Anfang der zwanziger Jahre geplant) der historische Diskurs.
Sieben Zeitphasen der deutschen Geschichte gliedern den Stoff: Weimarer Republik, Nationalsozialismus, Bundesrepublik und DDR 1949-1968, das Jahr 1968, BRD und DDR 1969-1989, von der Wiedervereinigung zum Millenium, das neue Jahrtausend. Bei jeder Neugründung einer Filmhochschule spielten kulturpolitische Überlegungen eine Rolle, aber auch technische Umbrüche, wirtschaftliche Interessen und seit den sechziger Jahren das Spannungsverhältnis zwischen Film und Fernsehen und Neuen Medien. All das kommt hier zur Sprache.
Slansky hat sich intensiv in die Geschichte der 1954 gegründeten Hochschule für Filmkunst der DDR eingearbeitet, die später zur Hochschule für Film und Fernsehen (im Buch abgekürzt HFF[P]) wurde und 1985 den Namen des Regisseurs Konrad Wolf annahm. Am ausführlichsten ist von der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) und der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF[M]) die Rede, die 1966 bzw. 1967 gegründet wurden. Immer wieder werden ihre konzeptionellen, politischen, personellen und räumlichen Unterschiede herausgearbeitet.
Ein eigenes größeres Kapitel ist dem Deutschen Institut für Film und Fernsehen in München gewidmet, das schon in den fünfziger Jahren Ausbildungsangebote gemacht hat und eng mit der Ludwig-Maximilian-Universität verbunden war. Auch die von Alexander Kluge initiierte Filmklasse an der Hochschule für Gestaltung in Ulm (1962-1968) ist ausführlich dargestellt. Natürlich werden auch die relativ neuen Filmhochschulen in Ludwigsburg, Köln (Kunsthochschule für Medien/Internationale Filmschule), Hamburg und Karlsruhe (Staatliche Hochschule für Gestaltung) vorgestellt. Erstaunlich detailliert widmet sich ein eigenes Kapitel dem Technikpark „High Definition Oberhausen“, gegründet von Michael Pfleghar in den späten achtziger Jahren und lange mit dem Verdacht des Subventionsbetruges belegt. Da spürt man die detektivische Leidenschaft des Autors.
Slansky war seit 1999 Vorsitzender des Raumplanungsausschusses für den Neubau der HFF[M], der in diesem Jahr eröffnet wird. Das vorlie-gende Buch ist ein Beleg dafür, wie ernst er seine Aufgabe genommen hat. Die Planung der neuen Münchner Hochschule in der Gabelsberger Straße nimmt verständlicherweise am Ende des Buches breiten Raum ein. Aber auch hier erkennt man die Begabung des Autors, lange Geschichten kurzweilig zu erzählen.
Ein kleines persönliches Desiderat: mir fehlt ein Hinweis auf den Filmhistoriker Ulrich Kurowski (1938-2008), der zusammen mit Helmut Färber den Münchner Studenten auf unnachahmliche Weise den Zugang zur Filmgeschichte geöffnet und viele Jahre das HFF-Archiv geleitet hat.
Der Verlag text + kritik, der sonst nicht gerade für Papier- und Druckqualität bekannt ist, hat sich bei dieser Publikation sehr engagiert. 40 Abbildungen, vorwiegend von Gebäuden, technisch auf hohem Niveau, die meisten vom Autor selbst fotografiert. In insgesamt drei eigenen Bände wird nun noch die Geschichte der HFF[M] erzählt, herausgegeben von Judith Früh und Helen Simon. Der erste Band, „Bilder wilder Jahre“, ist schon erschienen. München leuchtet!