Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
August 2015

Eva Lenhardt/Andreas Rauscher (Redaktion)
Film und Games
Ein Wechselspiel
Bertz + Fischer, Berlin 2015-07-21
256 S., 34,90 €
ISBN 978-3-86505-242-1

Eva Lenhardt/Andreas Rauscher (Red.):
Film und Games.
Ein Wechselspiel

Videospiele gelten inzwischen als ernst zu nehmendes Kulturgut. Sie werden von der Medienwissenschaft analysiert (Game Studies) und halten auch Einzug ins Museum. Es gibt natürlich einen medialen Zusammenhang zwischen Film und Games, der jetzt erstmals in einer Ausstellung des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt als Wechselspiel präsentiert wird. Der Katalog, redaktionell verantwortet von Eva Lenhardt und Andreas Rauscher, beeindruckt durch kluge Essays, interessante Interviews und brillante Abbildungen.

„Film und Videospiel sind die am intensivsten diskutierten und dynamischsten Medien des bewegten Bildes. Beide erzeugen Spannung und emotionale Ansprache über Figuren, Handlungsräume, Dramaturgien, Farben, Formen, Perspektive, Bewegungsabläufe und kombinieren sie mit Soundeffekten und Musik“, schreibt die Museumsdirektorin Claudia Dillmann in ihrem Vorwort. Sie stimmt damit die Leserinnen und Leser des Katalogs auf die vielen Fragen ein, die nach der Beziehung zwischen Film und Games zu stellen sind. Und das Buch gibt darauf zahlreiche Antworten, die man in dieser Komplexität nicht unbedingt erwartet hat.

Sieben „Levels“ strukturieren die Publikation: Annäherungen, Adaptionen und Austausch, Film und Games transmedial, Ästhetik, Reflexion und Repräsentation, Creative Gaming – Spielerische Vermittlung, Game Art.

Vier Texte sind Annäherungen an das Thema: Britta Neitzel erinnert an die ersten Begegnungen von Film und Games um 1900, Marcus Stiglegger reflektiert über den prometheischen Impuls im interaktiven Film, Petra Fröhlich, Spezialistin für Computerspiele, kennt die Minderwertigkeitskomplexe der Spielebranche gegenüber der Filmwelt, und Boris Schneider-Johne übt Selbstkritik an seiner Tätigkeit als Spieletester in den 1980er Jahren. Über Adaptionen und Austausch referiert Andreas Rauscher in seinem Schlüsseltext „Lost in Adaptation“. Zum Thema „Film und Games transmedial“ äußern sich Hans-Joachim Backe („Transmedia Storytelling“), noch einmal Andreas Rauscher („Das Videospiel im Zeitalter seiner filmischen Reproduzierbarkeit“) und Michael Nitsche („Das Potential von Machinina“). Drei Texte gibt es auch zum Bereich Ästhetik: Bei Benjamin Beil geht es um den Point of View und die virtuelle Kamera, bei Peter Moormann, immer für die Musik zuständig, um Entwicklungen und Potentiale der Komposition für Games und bei Marc Bonner um Architektur und Art Direction in Film und Computerspiel.

Reflexion und Repräsentation werden von zwei Autorinnen bewältigt: Nina Kiel referiert über Stereotype im Video- und Computerspiel („Von Traumfrauen und Traumata“), Svetlana Svyatskaya erinnert an Medienreflexionen im Film („Trapped in virtual reality“). Vier Beiträge finden sich auf dem Level „Spielerische Vermittlung“. Sie stammen von Judith Ackermann („Creative Gaming“), Vera Marie Rodewald („Machinima – Das Computerspiel als Filmkulisse“), Thomas Klein („Let’s-Play-Videos und Gaming Culture“) und Andreas Lange („Die Entstehung eines kulturellen Gedächtnisses unter den Bedingungen des Internets“). Im Schlusskapitel (Game Art) kommen noch fünf Autoren zu Wort: Stephan Schwingeler („Das Computerspiel im Kunstdiskurs“), Thomas Hensel („Metaleptische Reflexionen im Computerspiel“), Jens-Martin Loebel („Interaktion mit Games mittels Emulation im musealen Kontext“), Andy Keller (über sein Spiel OTHER PLACES) und Steven Poole (mit der Frage nach der künstlerischen Bewertung, ob es ein „Citizen Kane“ der Videospiele gibt). Gibt es natürlich nicht.

Sieben Interviews sind integriert: mit den Designern Ron Gilbert (MONKEY ISLAND), Jörg Friedrich (SPEC OPS: THE LINE) und Dennis Schwarz (FAR CRY, RYSE: THE SON OF ROME), mit den Regisseuren Uwe Boll (HOUSE OF THE DEAD) und Paul W. S. Anderson (RESIDENT EVIL), mit den Spiele-Erfindern Jordan Mechner (KARETKA, PRINCE OF PERSIA, THE LAST EXPRESS) und Jan Klose (ANKH, JACK KEANE, VENETICA, LORDS OF THE FALLEN). Man lernt aus den Interviews, dass für Computer- und Videospiele eine spezielle Kreativität vorausgesetzt wird, die in der Tat mit den Anforderungen in der Filmproduktion vergleichbar ist.

Es gibt eine Filmografie, eine Gamografie, ein Glossar und zahlreiche Abbildungen in bester Qualität.

Die Publikation macht deutlich, wie sich der mediale Spielebereich über Jahrzehnte entwickelt hat, wie sich Erfolge und Misserfolge abwechselten, wieviel Phantasie, Energie und Beharrlichkeit notwendig waren, um ein Publikum zu erobern. Die Hilfestellung des Films auf diesem Weg ist in der Tat interessant. Und es scheint nützlich, den Katalog zu lesen, bevor man die Ausstellung besucht. Sie ist bis 31. Januar 2016 in Frankfurt zu sehen.

Mehr zum Buch: http://www.bertz-fischer.de/filmundgames.html