Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Mai 2012

Thomas Koebner (Hg.)
Die Schönen im Kino
edition text + kritik, München 2012
268 S., 36,00 €
ISBN 978-3-86916-133-4

Thomas Koebner (Hg.):
Die Schönen im Kino

Was für ein schönes Thema! Da muss aber jemand Mut, ästhetisches Empfinden und viele konkrete Kinoerinnerungen mitbringen, um dem anspruchsvollen Titel des Buches gerecht zu werden. Thomas Koebner hat es gewagt, es ist ein wunderbares Buch entstanden, das den großen Reichtum des Kinos offenbart.

Die Schönen im Kino: das sind Schauspielerinnen und Schauspieler, die seit hundert Jahren Zuschauerinnen und Zuschauer zum Kinobesuch motivieren. Es mag ja sein, dass auch die Hässlichen oder die Bösen eine große Faszination ausüben, dass Nosferatu, Quasimodo, la Bête und Mr. Hyde eine spezielle Anziehungskraft haben. Aber ohne Ellen und Esmeralda, ohne la Belle und Dr. Jekyll würde das Spiel wohl nicht funktionieren (davon handelt ein eigenes Kapitel des Buches).

Thomas Koebner, ehemals Professor für Filmwissenschaft an der Universität Mainz, unternimmt mehrere Anläufe, um sich den Schönen zu nähern, er sucht – mit vielen Beispielen aus der Bildenden Kunst – zunächst nach der „universellen“ Schönheit und dann nach zeittypischen Merkmalen, die er in Gemälden und Skulpturen konkretisiert. David und Venus spielen dabei eine gewisse Rolle. Durch die Jahrhunderte verändern sich die Körperideale, das Apollinische konkurriert mit dem Dionysischen, Helden kommen ins Spiel, Kampf, Verletzlichkeit, Nacktheit. Und die Sehnsucht nach dem Paradies. All das entfaltet sich mit entsprechenden Abbildungen auf rund 60 Seiten.

Im Mittelpunkt – auf hundert Seiten – stehen dann die Schauspielerinnen und Schauspieler, geografisch, chronologisch und nach Geschlecht geordnet, beginnend mit den USA und Lilian Gish (dem amerikanischen Kino sind mit Recht 50 Seiten gewidmet), gefolgt von Italien und Frankreich. Dann kommt Deutschland mit Henny Porten und Asta Nielsen und der große Bogen spannt sich bis zu Martina Gedeck. Es sind insgesamt 73 kleine, liebevolle Porträts, in denen Physiognomie, Mimik, Gestik und Körpersprache im Fokus stehen.

In einem dritten großen Kapitel (noch einmal 50 Seiten) geht es unter dem Titel „Frauenrollen, Männerrollen“ querschnitthaft um Maskenspiel und Liebesakte, romantische Komödien, Glanz und Macht, Rollenfächer, um die Frage, ob schön gut ist und hässlich böse, um das hässliche Entlein, das Aschenputtel-Schema, den unentstellten Menschen, den patriotischen Körper, Geschlechterwechsel, Jugend und Alter, künstliche und natürliche Schönheit und am Ende um die Frage, ob es so etwas wie Angst vor der Schönheit gibt.

Das Schöne an diesem Buch ist seine Konkretheit. Thomas Koebner ist mit seiner assoziativen Darstellung so nahe an den Personen und Filmmomenten, dass wir sie vor uns sehen, und ihm auch gern folgen in seinen Bewertungen, weil sie nicht subjektivistisch sind, sondern offen für den Kosmos des Kinos.

Die Fotoauswahl zeigt die Erfahrung des Autors mit Bildern. Wo es um Details geht, haben die Bilder die notwendige Größe, oft genügt aber der einspaltige Ausschnitt. Im dritten Kapitel wirkt die Auswahl sparsamer, da wird mehr Erinnerung eingefordert. Das Format der Sonderbände der Reihe Film-Konzepte erweist sich wieder als glücklich gewählt.

„Nachdenken über ein ästhetisches Phänomen“ heißt der Untertitel des Buches. Basis der Texte war eine Vorlesung von Thomas Koebner kurz vor seinem Abschied aus Mainz. Die Transformation in ein Buch hat ein bisschen länger gebraucht als geplant. Deshalb fehlte wohl am Ende die Zeit, um im Anhang der Liste der Personen und Filmtitel die Seitenzahlen hinzuzufügen, auf denen von ihnen die Rede ist.

Aber beim Suchen und Lesen gibt es immer wieder neue Entdeckungen. Danke, Thomas, für dieses schöne Buch.