Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Jahres
1961
Filmbuch des Jahres

Joe Hembus
Der deutsche Film kann gar nicht besser sein
Carl Schünemann, Bremen 1961
168 S. (9,80 DM)

Joe Hembus:
Der deutsche Film kann gar nicht besser sein

Der maliziöse, doppeldeutige Titel ist – ein Jahr vor dem „Oberhausener Manifest“ – das Motto eines polemischen Nachrufs. Auch die wenigen prominenten Regisseure der Bundesrepublik (Helmut Käutner, Wolfgang Staudte, Kurt Hoffmann, Rolf Thiele) werden hier zu Grabe getragen. Der Autor ist damals 28 Jahre alt und fordert einen Neubeginn.

Sein Befund zum (west)deutschen Film: „Er ist schlecht. Es geht im schlecht. Er macht uns schlecht. Er wird schlecht behandelt. Er will auch weiterhin schlecht bleiben.“ Im Zentrum der Attacke stehen die Produzenten und Verleiher, die ohne Mut und Phantasie immer die gleichen Genres und Stoffe von immer denselben Regisseuren reali-sieren lassen und kein spürbares Interesse an einer Erneuerung haben. In jedem Jahr mangelt es an Kandidaten für den Deutschen Filmpreis („Bundesfilmpreis“) und internationale Festivals interessieren sich kaum noch für westdeutsche Filme. Der Blick des Autors geht natürlich nach Frankreich, wo inzwischen die Nouvelle Vague die Liebe des Publikums erobert hat. Und er geht zurück in die deutsche Filmge-schichte der zwanziger Jahre, die von großen Autoren, Regisseuren, Kameraleuten und Produzenten geprägt war. Auf einmontierten Sonderseiten gibt es Daten, Zitate und informative Hinweise unter der Überschrift „Der Aufmerksamkeit des Lesers empfohlen“. Auch wenn man mit den vernichtenden Urteilen von Hembus nicht immer einverstanden sein muss – der Tonfall beeindruckt. Und es bleibt der wunderbare Titel.

Zwanzig Jahre später wird das Buch noch einmal veröffentlicht, mit Ergänzungen und Kommentaren. In der Form einer Chronik collagiert Hembus Texte, Zitate und listet die wichtigsten Filme der Jahre 1962 bis 1981 mit Stern-Bewertungen auf. Das ist dann ein Doppelbuch zum alten und zum neuen westdeutschen Film.

Fast zeitgleich – Hembus war inzwischen ein gefragter Autor und Herausgeber – erschienen Anfang der Achtziger drei Bände zur deutschen Filmgeschichte in der Reihe der „Citadel-Filmbücher“ im Goldmann Verlag: „Klassiker des Deutschen Tonfilms 1930-1960“ (ediert von Christa Bandmann + Joe Hembus, 1980), „Der Neue Deutsche Film 1960-1980“ (Robert Fischer + Joe Hembus, 1981), „Klassiker des Deutschen Stummfilms 1910-1930“ (Ilona Brennicke + Joe Hembus, 1983). Ein Dreiteiler, der noch heute lesenswert ist.

Die wahre Liebe des Joe Hembus gehörte allerdings dem Western. Das wird mit dem Filmbuch des Jahres 1976 gewürdigt.