Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
April 2018

Jim Heimann
Dark City
The Real Los Angeles Noir
Köln, Taschen Verlag 2018
480 Seiten, 75,00 €
ISBN: 978-3-8365-6076-4

Jim Heimann:
Dark City.
The Real Los Angeles Noir

Die Stadt Los Angeles ist nicht nur vom Mythos Hollywood geprägt, vom Glanz der jährlichen Oscar-Verleihung, von der Ausstrahlung der Filmwelt. Sie hat auch ihre dunklen Seiten. In seinem Buch „Dark City“ dokumentiert Jim Heimann die Nachtseite von L.A. in der Zeit von 1920 bis 1950. Es waren die drei Jahrzehnte, in denen die Kriminalität in der wachsenden Stadt an der Westküste überproportional hoch war und die Korruption auf Seiten der Polizei erschreckende Ausmaße hatte. Viele Romane und Spielfilme erzählen davon.

Jim Heimann ist Kulturanthropologe, Autor zahlreicher Bücher über die amerika­nische Westküste und verfügt über eine Privatsammlung von Fotos und Dokumenten, aus der er für diesen Band viel verwenden konnte.

Im Mittelpunkt stehen Abbildungen auf 400 Seiten im Großformat: Tatorte, Leichen, Polizisten, Täter, Straßen, Gefängnisse. Es ist die Realität, die hier abgebildet wird, dokumentiert von Pressefotografen und Mitarbeitern des Los Angeles Police Departments. Die Verbrechen geschehen am Tag und in der Nacht. Sie werden von den Ermittlern oft nicht aufgeklärt. Aber auch die andere Seite der Stadt ist präsent: Ver-gnügungsorte, Nachtclubs der Filmszene, Casinos, Kinos. Andererseits landen auch viele im Krankenhaus oder im Sanatorium, begeben sich in den Schutz von Kirchen oder in die Abhängigkeit von Mystikern und Wahrsagern. Die Studios sind weitgehen ausgeklammert.

Sechs Kapitel strukturieren das Buch: „Down These Mean Streets“, „Murder & Mayhem“, „Glamourland“, „Kooks, Crackpots, & Salvation“, „Headline Crime“, „Crime & Corruption“.

In seinem Einleitungstext erinnert Jim Heimann an einige der grau-samsten Verbrechen, die damals Schlagzeilen machten: die Zerstücke-lung eines zwölfjährigen Mädchens durch William Edward Hickman im Dezember 1927, die Serienmorde von Gordon Stewart Northcott 1928-30, den Mord am Sohn des Ölbarons Edward Doheny 1929, der als Suizid vertuscht wurde, die Taten der „Koffermörderin“ Winnie Ruth Judd 1931, den Mord an der Schauspielerin Thelma Todd im Dezember 1935, den Mord an der Schauspielerin Carol Landis im Juli 1948, an dessen Vertuschung offenbar Rex Harrison beteiligt war, oder die Ermordung von Lana Turners Liebhaber Johnny Stompanato durch ihre Tochter Cheryl am 4. April 1958. Auch das vergleichsweise gering-fügige Rauschgiftvergehen von Robert Mitchum im September 1948 und seine zweimonatige Inhaftierung werden erwähnt. Seine Popularitäts-kurve ging anschließend steil nach oben.

Alle Texte und Bildlegenden des Buches sind dreisprachig: Englisch, Deutsch, Französisch.

Eingeheftet sind faksimilierte Ausgaben der Zeitschriften „True Detective“ (mehrere Nummern der 1930er Jahre), „The Voice“ (1936), „Look“ (1937), „Click“ (1939), „Confidential“ (1950), „Official Detective Stories“ (1958).

Der Anhang enthält kurze Texte mit kleinen Plakatreproduktionen zu zehn Filmen: DOUBLE INDEMNITY (1944) und SUNSET BOULE-VARD (1950) von Billy Wilder, MILDRED PIERCE (1945) von Michael Curtiz, THE BIG SLEEP (1946) von Howard Hawks, CRISS CROSS (1949) von Robert Siodmak, THE KILLING (1956) von Stanley Kubrick, TOUCH OF EVIL (1958) von Orson Welles, THE POSTMAN ALWAYS RINGS TWICE (1966) von Tay Garnett, CHINATOWN (1974) von Roman Polanski und L. A. CONFIDENTIAL (1997) von Curtis Hanson und Buchcover mit kurzen Texten zu zehn Romanen: „Queer People“ (1930) von Carol und Garrett Graham, „They Shoot Horses, Don’t They?“ (1935) von Horace McCoy, „The Day of the Locust“ (1939) von Nathanael West, „The Big Sleep“ (1939) von Raymond Chandler, „Mildred Pierce“ (1941) und „Double Indemnity“ (1943) von James M. Cain, „The Loved One“ (1948) von Evelyn Waugh, „True Confessions“ (1977) von John Gregory Dunne, „The Black Dahlia“ (1987) von James Ellroy und „Devil in a Blue Dress“ (1990) von Walter Mosley.

Wer sich für die Geschichte der Stadt Los Angeles und die Schatten-seiten der Metropole interessiert, die vom Glanz der Filmwelt lebt, der hat mit diesem voluminösen Buch ein Basiswerk in der Hand.

Coverfoto: Polizist und Schaulustige blicken durch die von Kugeln durchsiebte Fensterscheibe eines Tatorts (1953).

Mehr zum Buch: dark_city_the_real_los_angeles_noir.htm