Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Januar 2023

Albrecht Riethmüller (Hg.)
Beethoven im Film
Titan auf Tonspur und Leinwand
edition text + kritik, München 2022
238 S., 32 €
ISBN 978-3-96707-608-0

Albrecht Riethmüller (Hg.):
Beethoven im Film .
Titan auf Tonspur und Leinwand

Der Komponist Ludwig van Beethoven (1770-1827) hat in der Film-geschichte eine große Präsenz als Figur und auf der Tonspur. 13 Texte befassen sich im Buch des Musikwissenschaftlers Albrecht Riethmüller mit unterschiedlichen Themen. Sie fügen sich zu einem interessanten Spektrum vom Biopic bis zum Cartoon.

Geplant war eine Tagung „Beethoven im Film“ in Berlin, die aber durch die Covid19-Pandemie verhindert wurde. Die Referentinnen und Referenten haben ihre Beiträge für das nun vorliegende Buch schrift-lich ausgearbeitet.

Von Enjott Schneider stammt der grundlegende Einführungstext: „Vom Film an sich und Beethovens ‚Aura‘“. Er beschreibt darin die Wirkungskraft der Musik von Komponisten wie Beethoven und Richard Wagner, die den Bildern auf der Leinwand eine zusätzliche Dynamik verliehen und die Filmkomponisten beeinflusst haben. So bedankte sich Dimitri Tiomkin, als er 1955 den Oscar für THE HIGH AND THE MIGHTY erhielt, speziell auch bei Beethoven. Enjott Schneider hat die Musik für zahlreiche Filme und Fernsehspiele komponiert.

Bei Guido Heldt geht es um das Hören im Beethoven-Film mit den Kategorien der Monumentalisierung, der Personalisierung und der Ertaubung. Als Beispiele dienen neun Beethoven-Filme von UN GRAND AMOUR DE BEETHOVEN (1937) von Abel Gance bis zu LOUIS VAN BEETHOVEN (2020) von Nikolaus Stein von Kamienski. – Peter Moormann fokussiert seinen Text auf das Allegretto der 7. Symphonie im Film. 41 Filme nutzt er beispielhaft, beginnend mit THE BLACK CAT (1934), endend mit WHAT KEEPS YOU ALIVE (2018) von Colin Minihan. – Gregor Herzfeld beschreibt Beethovens Musik als „Protagonistin“ im gegenwärtigen Hollywood-Film. Drei Produktionen werden genau analysiert: A LATE QUARTET (2012) von Yaron Zilberman, THE SOLOIST (2009) von Joe Wright und THE MAN, WHO WASN’T THERE (2001) von Ethan und Joel Cohan. – Albrecht Riethmüller konzentriert sich in seinen „Phantasien über Ethos und Gewalt seiner Musik“ weitgehend auf die Neunte Symphonie. Filmbeispiele sind SCHLUSSAKKORD (1936) und INTERLUDE (1957) von Detlef Sierck, THE CLOCKWORK ORANGE (1971) von Stanley Kubrick.

Saskia Jaszoltowski richtet ihren Blick auf Beethoven als Comicfigur, tragisches Genie und Superhero. Ihre Filme sind Hollywood Cartoons aus den 1930er und 40er Jahren von Disney, Warner und MGM, die japanische Anime-Serie NEON GENESIS EVANGELION (1995/96), die amerikanische Serie HERO CLASSICS (1991-97) und die japanische Serie CLASSICALOID (2016-18). – Michael Custodis gibt einen Über-blick über Beethoven in Comedy-Formaten, bei Loriot, Monthy Pyton, in den Serien TIME SQUAD und THE SIMPSONS.

Julie Brown erinnert detailliert an den frühen Film ORIGIN OF BEETHOVEN’S „MOONLIGHT SONATA“ von Thomas Edison aus dem Jahr 1909, der zum Auslöser für mehrere Biopics über Kompo-nisten wurde. – Irene Kletschke verortet die Pastorale in Walt Disneys FANTASIA (1940) zwischen Kunstfreiheit, kultureller Aneignung und Identitätspolitik. – Hans J. Wulff erforscht die Verfilmung der Oper FIDELIO (1956) von Walter Felsenstein als Musikfilm, produziert in Österreich. – Christoph Henzel analysiert den Film BEETHOVEN. TAGE AUS EINEM LEBEN (1976), eine DEFA-Produktion des Regisseurs Horst Seemann mit Donatas Banionis in der Titelrolle: „Kein Denkmal“. – Von Franziska Kollinger stammt ein Text über das Allegretto der 7. Symphonie in Gaspar Noés Film IRRÉVERSIBLE (2002). Als „Abspann“ formuliert der Herausgeber Albrecht Riethmüller „Einige Gedanken bei Gelegenheit von Mauricio Kagels LUDWIG VAN (1970)“.

Unter den zwölf Autorinnen und Autoren dominiert die Musikwissen-schaft. Das wirkt sich aber nicht auf die Balance zwischen den künstlerischen Bereichen aus. Die filmischen Erkenntnisse von Guido Heldt, Gregor Herzfeld, Saskia Jaszoltowski, Julie Brown, Irene Kletschke, Christoph Henzel und Franziska Kollinger sind beein-druckend. Dass Peter Moormann und Hans J. Wulff medial bestens informiert sind, versteht sich von selbst. Dem Herausgeber Albrecht Riethmüller ist ein Basisbuch zu verdanken. Es schließt eine Lücke in der Filmliteratur.

Mit Abbildungen in guter Qualität. Coverfoto: Screenshot aus KISS ME, STUPID (1964) von Billy Wilder.

Mehr zum Buch: https://www.etk-muenchen.de/search/Details.aspx?ISBN=9783967076080#.Y6srMy1XZHc