Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Oktober 2022

Christian Fürst/Marcus Seibert (Hg.)
Achtung, Achtung, hier spricht das Filmbüro!
42 Jahre unabhängiger Film
Köln, Filmbüro NW 2022 / Vertrieb: Strzelecki Books
412 S., 19,80 €
ISBN 978-3-910298-01-9

Christian Fürst/Marcus Seibert (Hg.):
Achtung, Achtung, hier spricht das Filmbüro!.
42 Jahre unabhängiger Film

Im Mai 1980 wurde das Filmbüro Nordrhein-Westfalen in Mülheim an der Ruhr gegründet. Als gemeinnütziger Verein förderte es die Produktion unabhängiger Filme. Seit 14 Jahren hat es seinen Sitz in Köln und ist eng mit der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen verbunden. Vor zwei Jahren sollte das 40jährige Bestehen gefeiert werden. Jetzt eine Festschrift erschienen, die sich als Schatztruhe für die Geschichte des unabhängigen Films erweist.

Das Filmbüro fühlte sich verantwortlich für die Förderung des experi-mentellen Films, des Dokumentarfilms und des künstlerischen Spiel-films. Die 76 Gründungsmitglieder wählten am 12. Mai 1980 sieben Personen aus ihrer Mitte zum Vorstand: Michael Braun, Christoph Hübner, Rolf Neddermann, Werner Nekes, Dorothea Neukirchen, Manfred Vosz und Adolf Winkelmann. Im November übernahm Rosemarie Schatter die Geschäftsführung. In der Bundesrepublik gab es damals keine vergleichbare Einrichtung.

Eröffnet wird der Band mit Grußworten der ehemaligen Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Ruth Schif-fer, der Oberbürgermeisterin der Stadt Köln, Henriette Reker, und der Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW, Petra Müller. 141 Personen kommen im Buch zu Wort: in Gesprächen, aktuellen Er-innerungen oder dokumentierten Texten. Elf sind in-zwischen verstor-ben, hier sei an sie erinnert; Thomas Bergmann († 2019), Hellmuth Costard († 2000), Harun Farocki († 2014), Helmut Herbst († 2021), Hartmut Kaminski († 2016), Michael Lentz († 2001), Werner Nekes († 2017), Dore O. († 2022), Hans Georg Ossenbach († 2018), Christoph Schlingensief († 2010), Manfred Vosz († 2014).

Acht Kapitel strukturieren das Buch: Gründerzeit – Mitte Europas – Im Gegenlicht – Kopf-Werk und Hand-Zeug – Filmbüro unterwegs – Coops – Umbrüche – Generation Filmhochschule. Aus jedem Kapitel nenne ich einige beispielhafte Texte. Gründerzeit: „Wie Hollywood an den Rhein kam“ von Fosco Dubini. „Die Wüste lebt“ von Hellmuth Costard. „Virus einer Idee“ von Lars Henrik Gass. „Pionierpflanzen“ von Dieter Kosslick. Mitte Europas:„Ulysses kam bis ins Ruhrgebiet“ von Werner Nekes. „Gedenken an das Filmbüro in Mülheim an der Ruhr“ von Helge Schneider. „Wie man Filme macht!“ von Christoph Schlingensief. „SOS, Filmbüro NW!“ von Monika Treut. „Eine haarige Produktionsgeschichte aus dem Jahr 1984“ von Ulrike Filgers. „Barm-herzige Schwestern“ von Annelie Runge. „Die Zeit der Erklärung ist vorbei!“ von Wilhelm Hein.

Im Gegenlicht: „Filmarbeit vor Ort“ von Christoph Hübner. „I Paid Hitler“ von Rainer Komers. „Reinald Schnell“ von Peter Nestler. „Das Dunkel am Ende der Treppe“ von Claudia von Alemann. „Das höchste Gut“ von Elfriede Schmitt. „Erinnerungen“ von Dietrich Schubert. „Ich wollte immer im weitesten Sinne politische Filme machen“ (Interview mit Rolf Schübel). Kopf-Werk & Hand-Zeug: „Die achtziger Jahre“ von Birgit Hein. „Bitte wählen Sie!“ von Heinz Emigholz. „Bilder der Welt und Inschrift des Krieges“ von Harun Farocki. „Die Montage und die Ungenauigkeit des Gefühls“ von Helmut Herbst. „Der Monteur als Platzanweiser oder Die Verteidigung der Ungewissheit“ von Gabriele Voss. „Meine Erfahrungen mit dem Filmbüro NW“ von Gernot Steinweg. Filmbüro unterwegs: „Der Mann mit dem Megafon“ von Herbert Schwering. „Balagan. Produktives Chaos“ von Andres Veiel. „Afghanische Frauen im Widerstand“ von Elke Jonigkeit-Kaminski. „BeFreier und Befreite“ (Interview mit Helke Sander). „Schwarz und Weiß“ von Michael Klier. „Warheads“ von Romuald Karmakar (Productions-Journal).

Coops: „Das Gedächtnis der Bilder“ von Petra L. Schmitz. „Die dfi-Buchreihe“ von Reinald Gußmann. „Duisburg Düsterburg“ (Gespräch mit Werner Ružička). Umbrüche: „Vom Filmbüro zum Medienbüro. Eine Zeitreise“ von Joachim Ortmanns. „10 vor 11“ (Christoph Hübner bei Alexander Kluge in der Sendung). „Was ist eigentlich Filmkultur?“ von Stephan Brüggenthies. „Das Filmbüro und Köln. Eine glückliche Verbindung“ von Andreas Füser. Generation Filmhochschule: „Kroko-dile von Köln Richtung Tenkodogo“ von Britta Wandaogo. „Kein ein-facher Auftrag“ von Dietrich Leder. „Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt“ von Almut Getto. „Die teure Originaldämme-rung“ von Oliver Herbrich. „Nichts bereuen“ von Benjamin Quabeck. „Bevor der Tag anbricht“ von Züli Aladag. „Mülheim, Zentrum der Welt“ von Philip Gröning. „Das Filmbüro NW als sicherer Hafen“ von Berta Escofet.

In der Montage von aktuellen Erinnerungen und historischen Dokumenten haben die beiden Herausgeber herausragende Arbeit geleistet. Die inhaltliche Vielfalt und der formale Reichtum der geförderten Filme werden präsent. Zahlreiche Abbildungen tragen zur Konkretisierung bei. Der Umfang (412 Seiten), das große Format des Buches und die Farbe des Covers erhöhen den Aufmerksamkeitswert. Man kann sich viele Stunden damit beschäftigen und wird es auch in Zukunft häufig nutzen.

Dies ist die Website des Filmbüros: filmbuero-nw.de

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