Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
März 2022

Jürgen Müller (Hg.)
100 Filme der 2010er
Köln, Taschen Verlag 2022
880 S., 40,00 €
ISBN 978-3-8365-8498-2

Jürgen Müller (Hg.):
100 Filme der 2010er

Dies ist der siebte Band der wichtigsten 100 Filme einer Dekade, den Jürgen Müller herausgegeben hat. Mit einem Team professioneller Autorinnen und Autoren liefert er Hintergrundinformationen zu den Filmen, porträtiert einzelne Regisseurinnen, Regisseure und Mitwir-kende, erläutert spezielle Genres und komprimiert die Texte zu einem Bilderbuch auf höchstem Niveau.

Es war ein interessantes Jahrzehnt mit Veränderungen der Film-branche durch Streaming-Dienste, mit der Metoo-Debatte, mit Bedrohungen durch die Corona-Pandemie, mit größerer Diversität und neuen Namen im Regiebereich. Rund 6.500 Filme wurden pro Jahr weltweit produziert, in Deutschland zwischen 300 und 400. Knapp 5.000 Kinoleinwände warten hier auf Zuschauerinnen und Zuschauer. Die Entfernung zwischen Blockbuster und Arthouse ist weiterhin groß. Aber es gibt immer wieder Überraschungen.

Es ist nicht einfach, die 100 wichtigsten Filme eines Jahrzehnts auszuwählen. Künstlerische Qualität und Publikumserfolg spielen dabei eine Rolle, Oscars und hohe Festivalauszeichnungen sind entscheidende Faktoren, aber auch die Besucherzahlen liefern Argumente. Die Auswahl von Jürgen Müller und seinem Team ist insgesamt überzeugend. In einer ausführlichen Einleitung werden die 2010er Jahren charakterisiert. ONCE UPON A TIME … IN HOLLYWOOD (2019) von Quentin Tarantino wird zu einem Schlüsselfilm, auch wenn er unter den ausgewählten 100 fehlt.

Sechzig Filme stammen aus den USA, je sechs aus Frankreich und Großbritannien, je drei aus China und Dänemark, je zwei aus Deutschland, Italien, Japan, Polen und Südkorea, je einer aus Australien, Brasilien, Finnland, Griechenland, dem Iran, Kanada, Mauretanien, Mexiko, den Philippinen, Neuseeland, Schweden und Taiwan. Indien, das produktionsstärkste Land der Welt, ist nicht vertreten.

Drei ausgewählte Filme stammen von dem Regisseur Christopher Nolan, Paul Thomas Anderson, Damien Chazelle, Alfonso Cuarón, Greta Gerwig, Alejandro González Iñárritu, Bong Joon-ho, Pawel Pawlikowski und Lars von Trier sind mit je zwei Filmen vertreten. Vier Animationsfilme und drei Dokumentarfilme wurden ausgewählt, darunter IN JACKSON HEIGHTS (2016) von Frederick Wiseman.

Zum Team des Herausgebers Jürgen Müller gehören Elisabeth Ansel, Philipp Bühler, Teresa Ende, Steffen Haubner, Jörn Hetebrügge, Christian Horn, Heinz-Jürgen Köhler, Lars Penning, Frank Schmidt und Maxi Wollner. Die Texte sind sachkundig und pointiert formuliert, man spürt eine individuelle Kinoliebe.

Die Lektüre des Buches aktiviert Erinnerungen. Ich habe nicht alle Filme gesehen, aber sehr viele. Bei einigen bedauere ich, dass ich sie damals versäumt habe. Durch den Bilderreichtum bekommen die Texte eine zusätzliche Lebendigkeit. Natürlich gibt es inzwischen von allen Filmen DVDs oder Blu-rays. Aber die ersetzen ja nicht den Kinobesuch. Schön, wenn man sich an einige Filme genau erinnert und das Buch dies bestätigt. Zur Lektüre sollte man es auf einen Tisch oder in seinen Schoß legen, denn es wiegt 2,8 Kilo – 880 Seiten sind kein Leicht-gewicht.

Dies waren die für mich persönlich besten Filme des Jahrzehnts: THE ARTIST von Michel Hazanavizius (2011), LIEBE von Michael Haneke (2012), LIFE OF PI von Ang Lee (2013), BOYHOOD von Richard Linklater (2014), TAXI TEHERAN von Jafar Panahi (2015), MANCHESTER BY THE SEA von Kenneth Lonergan (2016), ON BODY AND SOUL von Ildikó Enyedi (2017), ROMA von Alfonso Cuarón (2018), PARASITE von Bong Joon-ho (2019), NOMADLAND von Chloé Zhao (2020). Nur die Filme von Jafar Panahi und Ildikó Enyedi wurden im Buch nicht berücksichtigt.

Coverfoto: Joaquin Phoenix in dem Film JOKER von Todd Phillips (2019).

Mehr zum Buch: 04475/facts.100_filme_der_2010er.htm