24. Februar 2023
Walter Krieg (1949-2023)
Nachruf
Liebe Columba, lieber Johan, liebe Angehörige, Freundinnen und Freunde von Walter.
Ich bin sehr traurig über den Anlass unseres heutigen Zusammenseins, denn ich fühle mich mit Walter eng verbunden.
Wir haben uns im Mai 1971 kennengelernt, als er die Aufnahmeprüfung an der Deutschen Film- und Fernsehakademie bestand. Ich war dort Studienleiter und gehörte zur Prüfungs-kommission. Es gab rund 400 Bewerbungen, vierzig Kandidatinnen und Kandidaten wurden zur Prüfung eingeladen, zwanzig haben sie bestanden. Zu Walters Jahr-gang gehörten auch Suzanne Beyeler, Wolfgang Jung, Marianne Lüdcke, Manfred Stelzer und Klaus Volkenborn, die alle nicht mehr am Leben sind. Walter war damals 21 Jahre alt.
Er profilierte sich während der Ausbildung nicht als Einzelkünstler, sondern fühlte sich am wohlsten bei der Zusammenarbeit in einer Gruppe. Dokumentarfilme waren sein Metier. Er kooperierte mit den politischen Pragmatikern, die K-Gruppen lehnte er ab. Soziale Fragen und Sport wurden zu seinen bevorzugten Themen.
Ende der 70er Jahre wurde er Mitglied der von Helene Schwarz gegründeten Skatgruppe. Aus der Kasse finanzierten wir damals gemeinsame Reisen. Walter war 1983 bei der Fahrt nach Budapest und 1986 bei unserer letzten Reise nach Georgien dabei. Manchmal kam er monatelang nicht zum Spielen, er war unzuverlässig mit den telefonischen Rückmeldungen an Helene. Aber dann gab es doch immer wieder ein Comeback, und er versprach Besserung.
Später wurden Rosa, Chris, Enrique und Martin Mitglieder unserer Runde. Und weil Rosa viel fragt, erzählte uns Walter von der Entwick-lung seiner Kinder, von der Realisierung seiner Projekte für 37 Grad, von seinen Fahrten nach Gummersbach oder ins Umland. Seine Informationen waren lakonisch formuliert, mit Details wollte er uns nicht langweilen.
Vor sieben Jahren hat er uns überrascht mit dem Buch „Synchron“, einem Bildband, der Menschen, Orte und Dinge auf originelle Weise verdoppelt, verdreifacht oder multipliziert. Wenn man das Buch langsam durchblättert, entdeckt man immer neue Zusammenhänge. Walter konnte also auch mit dem Fotoapparat kreativ umgehen. Davon hat er uns nie zuvor erzählt.
Sein prächtiger Haarschopf verlor über die Jahre seine Fülle und seine Farbe. Seine Augen blieben neugierig, seine Stimme nachdenklich.
Am 8. Dezember siegte er beim Skat mit 1.080 Plus-Punkten, am 5. Januar, seinem letzten Spieltag, verlor er mit 1.390 Minus-Punkten. Er ging ungern ins Risiko, und er konnte auch über verlorene Spiele lächeln.
Ich will es immer noch nicht glauben, dass Walter nicht mehr mit Pudelmütze und Rucksack durch die Tür des Lychee kommt, in unserer Runde Platz nimmt, die Karten mischt und die Augen zusammenkneift, wenn Ramsch statt Bock gespielt wird.
Aber wir müssen davon ausgehen, dass er künftig im Himmel mit Helene, Manfred und Michael zu einer anderen Runde gehört, in der wir ihm natürlich viele gute Spiele wünschen.
Alles Liebe, Walter.
Rede in der Kapelle auf dem Alten Luisenstädtischen Friedhof, Berlin-Kreuzberg, am 24. Februar 2023.