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19. Juli 2022

Découpage

Guido Kirsten, wissenschaft-licher Mitarbeiter der Film-universität Babelsberg, klärt in dieser Publikation die historische Semantik eines filmästhetischen Begriffs.  Découpage ist die szenische Auflösung eines Films auf der Basis des Drehbuchs, sie darf nicht mit der Montage am Schneidetisch verwechselt werden. In vier Kapiteln erzählt der Autor die Geschichte des Begriffs, der in der Filmtheorie und Kritik eine wechselhafte Rolle spielte. In jedem Kapitel stehen unterschiedliche Personen im Mittelpunkt, die den Begriff benutzt haben. Als Erfinder gilt der Publizist Henri Diamant-Berger, der ihn 1917 erstmals in einem Artikel der Zeitschrift Le film verwendete und anschließend etablierte, gefolgt von Louis Delluc, Germaine Dulac und Raymond Bernard. Im zweiten Kapitel wird die Ausdifferenzierung des Konzepts im Tonfilm und die Découpage als écriture beschrieben. Wichtige Funktionen haben hier Lotte Eisner, Roger Leenhardt, Louis Daquin, André Malraux, Alexandre Astruc und vor allem André Bazin und Jean Epstein. Im dritten Kapitel geht es um die Verdrängung des Begriffs und sein subkutanes Fortleben. Es kommen André Bazin und sein Opponent Jean-Luc Godard zu Wort, aber auch François Truffaut, Christian Metz und Jean-Louis Comolli. Das Schlusskapitel ist der Renaissance und Neubewertung der Découpage gewidmet. Zentrale Figuren sind hier Noël Burch, Hervé Joubert-Laurencin, Barnard Timothy und Jean-Pierre Sirois-Trahan. Es ist eine große Fähigkeit des Autors, die Begriffsgeschichte in einer oft filmischen Form zu erzählen, die die Lektüre spannend und amüsant macht. Konkrete Filmbeispiele und Abbildungen sind zusätzlich hilfreich. Sehr lesenswert. Mehr zum Buch: programm/titel/725-decoupage.html