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22. April 2022

Vier Romane

In den vergangenen vier Wochen habe ich vier Kriminalromane gelesen, die viele filmische Elemente haben und sehr zu empfehlen sind: „Vertrauen“ von Dror Mishani, „Der Donnerstagsmordclub“ von Richard Osman, „Die Experten“ von Merle Kröger und „Der russische Spion“ von Daniel Silva.

Inspektor Avi Avraham in Tel Aviv hat Sehnsucht nach spannenden Ermittlungen. Aber zunächst geht es nur um ein Baby, das vor einem Krankenhaus ausgesetzt wurde. Wer ist die Mutter und was sind die Motive? Dann verschwindet ein Mann aus einem Hotel, Verwandte holen sein Gepäck, es gibt einen Toten im See, aber was ist der Hintergrund? Möglicherweise ist der Geheimdienst Mossad beteiligt. Im Falle des Babys übernimmt Avrahams Kollegin Esthi Wahabe die Ermittlungen und klärt zumindest, dass es eine 16-jährige Mutter gibt. Fand eine Vergewaltigung statt? Das behauptet die Mutter der jungen Mutter. Kompliziert wird die Aufklärung des Mordes. Avraham fährt nach Paris, wo er sich mit der Tochter des Ermordeten trifft. Eine definitive Klärung deutet sich an dank der Hilfe der französischen Kollegen. In Paris lebt auch die Mutter des ausgesetzten Babys. Avraham verhört sie dort und kommt zu einem Ergebnis. Der neue Roman von Dror Mishani – dessen Buch „Drei“ ich herausragend fand – ist ziemlich kompliziert, aber die parallelen Fälle verbinden sich beim Lesen im Kopf, auch wenn sie sehr unterschiedlich sind. Und Mishanis Sprache hat Stil. Mehr zum Buch: dror-mishani/vertrauen-9783257071771.html

Richard Osman ist ein englischer Fernsehmoderator und hat seinen ersten Kriminalroman verfasst. Schauplatz ist die luxuriöse Seniorenresidenz Coopers Chase in der Grafschaft Kent. Donnerstags treffen sich dort regelmäßig vier Bewohner, um ungelöste Kriminalfälle aufzuklären: Elizabeth, früher Geheimagentin, Ron, ehemals Gewerkschaftsführer, der Psychiater Ibrahim und die achtzigjährige frühere Krankenschwester Joyce. Ein Mord in unmittelbarer Nähe animiert sie zu aktiver Unterstützung der Polizei. Sie sind dabei sehr erfolgreich. Mordopfer ist der Bauunternehmer Tony Curran, der mit der Seniorenresidenz viel Geld verdient hat. Er wird mit einem Schraubenschlüssel erschlagen. Am Tatort findet man ein Foto, unter den Abgebildeten ist der Boxer Jason Ritchie, ein Sohn von Ron. Ermittelt wird vom DCI Chris Hudson und der aus London kommenden PC Donna de Freitas. Die Perspektivwechsel beim Erzählen der Geschichte erhöhen die Spannung. Originell finde ich im Klappentext die Information über den Autor: „Der Donnerstags-mordclub“ ist sein erster und bisher bester Roman.“ Mehr zum Buch: der-donnerstagsmordclub-die-mordclub-serie-1-9783471360149.html

Kann ein Thriller die Geschichte eines Jahrzehnts erschließen? Merle Kröger gelingt das mit ihrem Buch „Die Experten“. Es geht um die 1960er Jahre. Hauptfigur ist die 20jährige Rita Hellberg, deren Vater als renommierter Flugzeugingenieur gilt. Er lässt sich von der ägyptischen Regierung als Experte für die Entwicklung einer Flugzeug- und Raketenindustrie engagieren und zieht mit Frau und Tochter nach Kairo. Der Sohn Kai bleibt in Deutschland. Auch Rita bekommt einen Job in Kairo. Und sie erlebt dort die konfliktreiche Zeit des Nasser-Regimes in der Nachbarschaft zu Israel. Erzählt werden Ritas Erfahrungen anhand von Fotos aus drei Alben, die ihr Leben dokumentieren. Eine zweite Ebene sind Zeitungsmeldungen, Aktenvermerke und biografische Notizen, die zusätzliche Fakten vermitteln und die Gegenwart mit der deutschen Vergangenheit verbinden. Der Roman ist spannend, hat starke emotionale Momente und ist hervorragend geschrieben. Die thematische Initialzündung stammt von Stefanie Schulte Strathaus, deren Großvater als Experte engagiert war. Herausgegeben von Thomas Wörtche im Suhrkamp Verlag. Mehr zum Buch: Die%20Experten%20&tab=1

Dies ist der 18. Roman der Gabriel Allon-Serie von Daniel Silva, erschienen 2018. Der Originaltitel „The Other Woman“ führt uns auf eine Spur, die im letzten Drittel zu einer Verfolgungsjagd wird. Es geht um Rebecca Manning, die Tochter von Kim Philby und Charlotte Bettencourt, die in Washington das Büro des britischen Geheimdienstes leitet, aber in Wahrheit für den russischen Aufklärungsdienst WSR tätig ist. Zuvor werden wir Zeugen der Verfolgung des russischen Überläufers Konstantin Kirow in Wien, die für ihn tödlich endet, und des britischen Spions Alistair Hughes, der des Doppelspiels verdächtigt wird, aber nur psychische Probleme hat. Auch er muss sterben. Zwischen den Schauplätzen Wien, Tel Aviv, Bern, London, Sevilla und Washington ist Gabriel Allon, inzwischen Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad, ständig unterwegs, oft ohne Personenschutz. Nur gelegentlich erholt er sich bei seiner Frau Chiara. Und sein freundschaftliches Verhältnis zum englischen MI6-Chef Graham Seymour droht zu zerbrechen. Wieder ein spannender Roman mit einem Personal, das Silva-Lesern sehr vertraut ist. Mehr zum Buch: krimi-couch.de/titel/20752-der-russische-spion/