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12. Juni 2020

„Der zerrissene Brief“

Dass Hanns Zischler nicht nur ein hervorragender Schauspie-ler, sondern auch ein exzellen-ter Autor ist, wissen wir durch seine Bücher „Kafka geht ins Kino“, „Berlin ist zu groß für Berlin“ und „Das Mädchen mit den Orangenpapieren“. Jetzt ist im Galiani Verlag sein erster Roman erschienen, „Der zerris-sene Brief“, und er bestätigt alle positiven Erwartungen. Erzählt wird die Geschichte der 84jähri-gen Pauline Lassenius, die sie im Dialog mit ihrer Ziehtochter Elsa, die in Frankfurt am Main Biologie studiert, als assoziative Erinnerung lebendig werden lässt. Die Reise in die Vergangenheit wird von Pauline ganz persönlich formuliert und durch Briefe, Fotos, Zeitungsausschnitte und kleine Objekte dokumentarisch beglaubigt. Elsa stellt Fragen, Pauline antwor-tet. Ein zentrale Rolle spielt Max, der sehr viel ältere Lebenspartner von Pauline. Sie lernen sich am 9.9.1899 kennen und verlieben sich ineinander. Als erstes spendiert Max der damals 17jährigen Pauline eine Reise nach New York, wo sie zwei Jahre im Botanischen Garten in der Bronx arbeitet. Nach ihrer Rückkehr fahren sie zusammen durch die Welt, soweit dies die politischen Verhältnisse zulassen. Max ist Kameramann und Abenteurer, sammelt Masken, besuchte die Scha-manen, ist neugierig auf das Unbekannte. Der Wohnort von Max und Pauline ist Uppsala in Schweden. 1938 stirbt Max, 1949 kehrt Pauline nach Deutschland zurück, sie wohnt wieder im mittelfränkischen Treuchtlingen, wo alles begonnen hat. Hier findet auch im Sommer 1966 das lange Gespräch mit Elsa statt, an dem uns Hanns Zischler teilnehmen lässt. Es gibt immer wieder überraschende Wendungen, eingefügt sind faksimilierte Zeitungsausschnitte und andere Dokumente, und wir erfahren auch viel über die 23jährige Elsa, die gerade einen großen Liebeskummer hat. 269 Seiten, deren Lektüre beglückend ist. Mehr zum Buch: brief-9783869712079