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09. August 2019

Filmgeschichte als Kinogeschichte

Über die Zukunft des Kinos wird viel nachgedacht. Lars-Henrik Gass, seit 22 Jahren Leiter der Oberhausener Kurzfilmtage, tut dies auf hohem Niveau. Vor sieben Jahren erschien sein Buch „Film und Kunst nach dem Kino“, vor zwei Jahren noch einmal in überarbeiteter Form. Sein neues Buch hat den Unter-titel „Eine kleine Theorie des Kinos“. Gass definiert Kino als „eigenständige gesellschaftliche Wahrnehmungsform“, als „mentalen Raum“, in dem man, „in der Zeit verloren, zur Wahrnehmung gezwungen ist“. Um dies zu konkretisieren, erinnert er an Umbruchphasen in der Filmgeschichte, beginnend mit Slapsticks von Fatty Arbuckle und Buster Keaton: „Der Slapstick ist die Zumutung einer zerstörerischen Begegnung zwischen dem Auge und einer Materie vor ihrer sozialen Bestimmung. Die Beziehungen beruhen nicht auf Arbeit, nicht auf Wertschöpfung, sondern auf unentfremdeter Produktion.“ (S. 32). Der zweite Umbruch ist der frühe Tonfilm. Als Beispiele dienen Gass VAMPYR von Carl Theodor Dreyer, KING KONG von Merian C. Cooper & Ernest B. Schoedsack und LIEBELEI von Max Ophüls. Seine Beschreibungen von Bild und Ton sind beeindruckend. Dritte Phase: New Hollywood. Hier sind es vor allem vier Filme, auf die Gass genauer eingeht: PAT GARRETT AND BILLY THE KID von Sam Peckinpah, THE LAST MOVIE von Dennis Hopper, TAXI DRIVER von Martin Scorsese und THE PARALLAX VIEW von Alan J. Pakula. Sein Fazit: „Die Randständigkeit, das Verschwinden schließlich des Stars im Film, die Verrätselung der Räume des Films spiegeln die gesellschaftliche Marginalisierung , die Ohnmacht des politischen Subjekts außerhalb des Kinos, für das gut und böse, richtig und falsch nicht mehr auseinanderzuhalten sind, nachdem seine politischen Repräsentanten die US-amerikanischen Grundwerte verraten haben.“ (S. 76). Das Kapitel „Vom Ende des Kinos“ hat zwei Protagonisten, Dario Argento & Steven Spielberg, und schließt mit einem Blick auf Karen Bigelow. Das Nachwort „Irgendwas mit Medien“ ist kurz und resignativ. Die Lektüre des Buches, das bei Spector Books erschienen ist, sollte dennoch nicht mutlos machen. Mehr zum Buch: filmgeschichte-als-kinogeschichte