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06. November 2018

Heinz Kersten

Den Autor Heinz Kersten kenne ich als Leser des Tagesspiegel seit den 1960er Jahren und per-sönlich seit den 70ern. Seine Festivalberichte und Kritiken neuer DEFA-Filme waren immer eine wichtige Lektüre für mich. Sein zweibändiges Werk über „Das Filmwesen in der sowjetischen Besetzungszone Deutschlands“ (1963) konsul-tiere ich bis heute zu speziellen Fragen der DEFA-Geschichte. Vor 22 Jahren hat Christel Drawer für den Vistas Verlag DEFA-Filmkritiken von Heinz Kersten aus drei Jahrzehnten zusammengestellt: „So viele Träume“. Und nun ist mit ihrer Hilfe seine Autobiografie erschienen: „Filicudi oder Das ausgelöffelte Leben“. Die Lektüre hat mich sehr beeindruckt. Auch wenn für ihn Inseln (speziell: Filicudi vor der Nordküste Siziliens) und Frauen immer wieder eine wichtige Rolle gespielt haben – sein Leben ist geprägt von Kultur, journalistischer Arbeit und Reisen zu Festivals in aller Welt. Geboren als Herbert König 1926 in Dresden, aufgewachsen in der Zeit des Nationalsozialismus als Sohn eines Finanzbeamten, wurde er zunächst Luftwaffenhelfer, kam dann zur Wehrmacht, geriet im April 1945 in Gefangenschaft, verbrachte ein Jahr in Le Havre, kehrte 1946 nach Pirna in Sachsen zurück, machte dort Abitur und begann 1947 ein Studium in Berlin, zunächst an der Ostberliner Universität, wechselte dann zu den Publizisten und Theaterwissenschaftlern der „Freien Universität“, wohnte – wie noch heute – in Schöneberg. Sein Erinnerungsvermögen ist erstaunlich, manchmal sind ihm Namen entfallen, aber die Schilderungen der kulturellen Ereignisse, über die der Autor im Tagesspiegel, in der Frankfurter Rundschau und im RIAS einstmals berichtet hat, sind aus heutiger Sicht präzise und verbinden sich für mich ab 1960 mit vielen eigenen Erinnerungen. Zehn historische Texte von Heinz Kersten ergänzen an speziellen Stellen die Autobiografie, die noch einmal drei seiner wichtigsten Eigenschaften deutlich macht: Neugier, Sachkenntnis und Haltung. Als Grenzgänger zwischen Ost und West war er fast eine Institution. Mehr zum Buch: kersten-heinz