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22. September 2018

Ein Führer durch das lasterhafte Berlin

Konrad Haemmerling (1888-1957) hat unter dem Namen Curt Moreck in der Weimarer Repu-blik viele Romane und Sach-bücher publiziert. In meinem Regal steht seine wunderbare „Sittengeschichte des Kinos“ (1926). 1931 hat er einen „Füh-rer durch das lasterhafte Berlin“ veröffentlicht, der jetzt im be.bra verlag, herausgegeben von Marijke Topp, in einer Neuaus-gabe erschienen ist. Morecks Leitsatz: „Ohne den Führer verliert man kostbare Zeit, die man besser dem Genuss wid-met.“ Die Zentren des Amüsier-betriebs sind für den gut informierten Autor die Friedrichstraße und der Kurfürstendamm. Das Vergnügen beginnt beim Nachmittagstee (mit Tanz im Esplanade), in der Mokkadiele (beispielsweise in der Potsda-mer Straße) oder im Kaffeehaus (in Kempinskis Café Vaterland herrscht immer Hochbetrieb). Wenn es dämmert, kann man ins Kino gehen: „Die meisten Berliner Kinos sind imposante Räume mit behaglicher Atmosphäre. Um die Gedächtniskirche herum gruppieren sich die Kinopaläste der großen Gesellschaften, über den Portalen in Flammen-schrift ankündigend, was drinnen über die Projektionswand läuft.“ Auch auf Mendelsohns „Universum“ am Kurfürstendamm wird hingewiesen. Ein Leitsatz lautet dann: „Geteiltes Vergnügen ist doppeltes Vergnügen“. Den Abend beginnt man mit einem kulinari-schen Intermezzo (im Haus Vaterland kann man die Küchen fast aller Nationen genießen). Rummelplätze, Varietés und Kabaretts locken zum Besuch. Der Nachtbetrieb findet in Tanzpalästen statt, und wenn man unersättlich ist, kann man noch einen Blick in die Unterwelt werfen. Das Buch lässt sich gut lesen. Es wurde angereichert mit historischen Fotos, einem Glossar und einer „Übersicht über die Etablissements“. Stadtpläne auf den Innenseiten vorn und hinten sorgen für Orientierung. Mehr zum Buch: das-lasterhafte-berlin.html