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11. Juli 2018

Start in Moskau

Die Regisseurin Iris Gusner (*1941) hat von 1960 bis 1966 am „Wsjesojusny Gosudarst-wenny Institut Kinematografii“ (abgekürzt: WGIK) in Moskau studiert und über diese Zeit ein höchst lesenswertes Buch ge-schrieben, das kürzlich in der Schriftenreihe der DEFA-Stif-tung bei Bertz + Fischer erschie-nen ist. Ich schätze die Filme von Iris Gusner – vor allem ALLE MEINE MÄDCHEN und KASKADE RÜCKWÄRTS – sehr und habe mit großem Interesse das Buch „Fantasie und Arbeit“ gelesen, das sie 2009 zusammen mit Helke Sander veröffentlicht hat. In ihrem neuen Buch erinnert sie sich mit erstaunlicher Genauigkeit und spürbarer Empathie an die Ausbildungsjahre in der ältesten Filmhochschule der Welt, gegründet 1919. Ihr wichtigster Lehrer war Michail Romm, der nach NEUN TAGE EINES JAHRES den Dokumentarfilm DER GEWÖHNLICHE FASCHISMUS realisierte. Neben dem Film spielt die Literatur eine große Rolle in diesem Buch. Und natürlich die Politik. Ein Kapitel heißt „Chruschtschow und sein ‚Tauwetter’“. Nach der Ausbildung in Moskau war eine Assistenz bei Konrad Wolfs GOYA-Film Gusners erste Beschäftigung bei der DEFA. Auch Konrad Wolf hatte, zehn Jahre zuvor, am WGIK studiert. Vier ehemalige Studienkolleg*innen sind als Gesprächspartner präsent: der irakische Regisseur Abdul Hadi Al Rawi, der russische Dokumentar-filmregisseur Waleri Chomenko, der DEFA-Regisseur Siegfried Kühn (er begann sein Studium in Moskau 1959) und die polnische Regisseurin Jolanta Omasta. Sie erzählen im O-Ton von ihrer Jugend, ihrer Ausbildung und der anschließenden Arbeit in ihren Heimatländern. Die Vielfalt der Perspektiven und die geschickte Montage der Texte machen dieses Buch zu einem Lesestoff, der sich streckenweise wie ein Roman liest. Ich bin begeistert. Mehr zum Buch: startinmoskau.html