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06. März 2018

Unbekannter Ivens

Der holländische Regisseur Joris Ivens (1898-1989) – „The Flying Dutchman“ – hat in vielen Ländern der Welt politisch engagierte Filme gedreht, die ihn zu einem der bedeutendsten Dokumentaristen des 20. Jahr-hunderts gemacht haben. In den 1950er und 60er Jahren hatte er sehr enge Verbindungen zur DDR, realisierte für die DEFA mehrere Projekte, darunter FREUNDSCHAFT SIEGT (1952), DAS LIED DER STRÖME (1954) und zusammen mit dem Schauspieler Gérard Philippe DIE ABENTEUER DES TILL ULENSPIEGEL (1956). Ab 1956 war Ivens regelmäßiger Gast der Leipziger Dokumentarfilmwoche, er gehörte viele Jahre zum Ehrenpräsidium der Veranstaltung und wurde Namensgeber für einen Preis. 1970 kam es zum Bruch, als sich Ivens von der Sowjetunion abwandte und seine Liebe zum maoistischen China entdeckte. Dort drehte er zusammen mit seiner Frau Marceline Loridan das zwölfteilige Werk WIE YÜ GUNG DIE BERGE VERSETZTE. Günter Jordan, früher selbst für die DEFA als Dokumentarist tätig, inzwischen zum Filmhistoriker geworden, hat jetzt einen umfänglichen Band über Joris Ivens bei der DEFA und in der DDR 1948-1989 publiziert, der den Untertitel „Triumph, Verdammnis, Auferstehung“ trägt. Jordan hat mit Unterstützung der DEFA-Stiftung viele bisher unbekannte Quellen erschlossen. Auf 680 Seiten mit über 2.000 Anmerkungen beschreibt er die Verbindungen von Ivens zur DEFA, zur Leipziger Dokumentarfilm-woche, zur Ost-Berliner Akademie der Künste und zu vielen Personen, mit denen er damals verbunden war. Ein beeindruckendes Buch als Resultat von mehr als fünf Jahren Arbeit. Mehr zum Buch: unbekannterivens.html

Im Februar 1974 war Joris Ivens zu Gast in der DFFB und führte ein siebenstündiges Gespräch mit den Studierenden, das ich als damaliger Studienleiter redaktionell bearbeitet und als dffb-info veröffentlicht habe („Von Joris Ivens lernen“, 100 Seiten). 1998 habe ich zu seinem 100. Geburtstag in Duisburg einen Vortrag über Ivens in der interna-tionalen Filmgeschichtsschreibung gehalten, der später in dem Buch „Poesie und Politik“ publiziert wurde und hier nachzulesen ist: hhprinzler.de/2001/04/356/ . Ich bin Joris Ivens auch in den 80er Jahren mehrfach begegnet und habe ihn sehr bewundert.