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14. Dezember 2017

Ingeborg Bachmann (Weihnachtsgeschenk 4)

Sie war eine der großen und immer etwas geheimnisvollen österreichischen Autorinnen von den 1950er bis in die 70er Jahre, und auch nach ihrem Tod 1973 hat sie die literarische Welt sehr beschäftigt: mit Inter-pretationen, aber auch mit Spekulationen über ihr Leben und ihren plötzlichen Tod. Seit 1977 wird in ihrer Geburtsstadt Klagenfurt in jedem Jahr der Ingeborg-Bachmann-Preis verliehen. Ina Hartwig, viele Jahre Literaturredakteurin der Frankfurter Rundschau und seit 2016 Frankfurter Kulturdezer-nentin, hat jetzt im S. Fischer Verlag ein sehr lesenswertes Buch über Ingeborg Bachmann publiziert. Sie nennt es „Eine Biographie in Bruchstücken“. Jedes der acht Kapitel hat einen Schwerpunkt, beginnend mit ihrem rätselhaften Sterben, dann geht es um ihr Verhalten vor der Kamera, um die Beziehung zu Paul Celan, ihr politisches Denken und Handeln, um ihren Aufenthalt in Berlin von 1963 bis 1965, das Leben in Rom und auf Reisen und schließlich um das Verhältnis zu ihren Eltern, vor allem zu ihrem Vater. Ina Hartwig hat hervorragend recherchiert (der Zugang zu einigen Quellen, zum Beispiel von Max Frisch, ist allerdings noch verschlos-sen) und mit zahlreichen Zeitzeugen Gespräche geführt. Darüber berichtet sie sehr anschaulich in einem eigenen, letzten Kapitel. Hier kommen Hans Magnus Enzensberger, Martin Walser, Klaus Reichert, Klaus Wagenbach, Peter Handke, Martin Mumme, Marianne Frisch, Hans-Ulrich Treichel, Christine Koschel und Inge von Weidenbaum, Adolf Opel, Joachim Unseld, Peter Härtling, Renate von Mangoldt, Günter Herburger und Henri Kissinger zu Wort. Man spürt beim Lesen die Neugier und Empathie von Ina Hartwig, dem Leben und Werk von Ingeborg Bachmann näher zu kommen und gerecht zu werden. Gelegentlich nimmt sie Fotos zu Hilfe, um Situationen und Stimmungen zu deuten. In keinem Moment ist dies eine konventionelle Biografie. Das Buch eignet sich wunderbar als Weihnachtsgeschenk für literarisch Interessierte. Mehr zum Buch: 9783100023032

Man kann das Geschenk erweitern mit einer DVD des Films DIE GETRÄUMTEN der österreichischen Regis-seurin Ruth Beckermann, der kürzlich in der „film-edition suhrkamp“ bei Absolut Medien erschienen ist. Wir erleben hier – Spiel im Spiel – wie Auszüge aus dem Briefwechsel von Ingeborg Bachmann und Paul Celan in einem ORF-Studio in Wien für eine Radioproduktion eingelesen werden. Anja Plaschg liest den Bachmann-Part, Laurence Rupp die Texte von Celan. Ein Aufnahme-leiter sorgt für Ruhe und Ordnung. Zwischendurch unterhalten sich Plaschg und Rupp, äußern sich zu den Brieftexten, dann schlüpfen sie wieder in ihre Rollen und lesen. Das wirkt gelegentlich wie ein Dokumentarfilm, aber es ist die hybride Form, die hier zu großer Wirkung führt. Bei der Berlinale 2016 gehörte DIE GETRÄUMTEN zu den besten Filmen, die ich dort gesehen habe. Co-Autorin von Ruth Beckermann war übrigens Ina Hartwig. Ein informatives Booklet gehört zur DVD, die ich als Geschenk sehr empfehle. Mehr zur DVD: Ingeborg+Bachmann+-+Paul+Celan