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20. Oktober 2017

„Buñuels Erwachen“

Der französische Autor Jean-Claude Carrière (*1931) hat zwanzig Jahre lang eng mit dem Regisseur Luis Buñuel (1900-1983) zusammen-gearbeitet. Sechs Filme sind ihrer Kooperation zu verdanken. Als Buñuel 1983 seine Autobiografie „Mein letzter Seufzer“ publizierte, war Carrière so etwas wie ein Coautor. Ein Auslöser für Carrières neues Buch über Buñuel ist dessen Bekenntnis „Trotz meines Hasses auf die Medien würde ich gern alle zehn Jahre von den Toten auferstehen und mir ein paar Zeitungen kaufen.“ In „Buñuels Erwachen“ wird dieser Wunsch erfüllt. Carrière entdeckt in einer Gruft auf dem Friedhof Montparnasse den Sarg mit dem Leichnam des Regisseurs, reinigt ihn vom Schmutz der Jahrzehnte und nimmt Kontakt zu dem Toten auf. Buñuel erwacht, seine Kräfte und seine Erinnerungen sind zunächst schwach, aber es kommt zum Dialog, der regelmäßig fortgesetzt wird. Carrière hat Zeitungen und Zeitschriften mitgebracht, später schleppt er auch Wein und Leckereien heran. Die Kraft des Toten reicht immer für eine gute Stunde, die Themen werden in der Regel von Carrière vorgegeben. Es geht um Erinnerungen, Träume, Zerstörung, um Religion und Sexualität, eine „Bibliothek des Todes“, um die Lieblingsfilme von Buñuel (S. 159/60), um den Kommunismus, die politischen Veränderungen in Russland, China und den USA, um gemeinsame Erlebnisse, die enge Zusammenarbeit, um Freunde und Gegner, um Tiere und schließlich um den Tod. Der Text ist ein persönlicher Gang von zwei Freunden durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts, die Kulturgeschichte und die Filmgeschichte. Carrière hat seiner Frau die Friedhofsbesuche lange verheimlicht. Am Ende suchen sie gemeinsam die Gruft, aber sie ist verschwunden. Und Carrières Frau erinnert ihren Mann daran, dass Buñuel 1983 in Mexiko eingeäschert wurde. Das Buch, 2011 in Frankreich publiziert, ist jetzt auf Deutsch im Alexander Verlag erschienen, übersetzt von Uta Orluc, vor ihrer Pensionierung Leiterin der Bibliothek im Filmhaus am Potsdamer Platz, der ich mich sehr verbunden fühle. Danke, Uta, für diesen interessanten Text! Keine Abbildungen. Mehr zum Buch: 406-Buuels_Erwachen.html