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08. Mai 2017

„Tatort“ als Fernsehgeschichte

2017.TatortEine Dissertation, die an der Hochschule für Fernsehen und Film in München entstanden ist. Judith Früh setzt sich mit der Geschichte des „Tatort“ von 1970 bis Ende 2014 auseinander. Sie beschäftigt sich mit „Historio-grafien und Archäografien eines Mediums“ (so der Untertitel). Mehr als 50 Buchpublikationen gibt es inzwischen über den „Tatort“, die von der Autorin – zusammen mit Rezensionen und Online-Seiten – sorgfältig ausge-wertet wurden. Sie unterscheidet zwischen Zuschauer­erfolg (Quote) und künstlerischem Erfolg (Grimme-Preis oder andere Auszeichnungen). Heute unvorstell-bar: Die Folge ROT…ROT…TOT vom 1. Januar 1978 hatte 26,57 Mio. Zuschauer; damals war Werner Schumacher der Stuttgarter Kommissar Lutz und Curd Jürgens spielte den gesuchten Mörder; jüngst wurden beim Münster-Tatort FANGSCHUSS 14,56 Mio. gemessen, und das gilt als Rekord für die letzten 25 Jahre. Judith Früh widmet sich in ihrem historiografischen Teil den Kanones, Anfängen, Zäsuren, Verläufen, Krisen und Enden der „Tatort“-Reihe (sie nennt das „Ordnungen das Narrativen“) und stellt dem Annalen und Chronik, Alphabet und Listen gegenüber („Ordnungen des Nicht-Narrativen“). Im zweiten Teil geht es um „Archäografien“, also um den Erhalt und die Verwertung des Programms. Die Schilderung der Archivierung ist zunächst noch weitgehend unabhängig vom „Tatort“, die Verantwortung liegt bei den Fernsehanstalten, es handelt sich hier um die Erschließung, den Zugang, die Digitalisierung und die Vernichtung („Die Materialität des Archivs“). Dann kommen wir, auf den „Tatort“ bezogen, zur Erstausstrahlung, Wiederholung, Remotierung und Kanonisierung („Die Immaterialität des Programms“) und schließlich zur „Materialität der Verwertung“ durch Ökonomisierung und Aufwertung. Mit ihrer Systematisierung und Zuordnung hat die Autorin eine beeindruckende Arbeit geleistet, die für „Tatort“-Fans unbedingt lesenswert ist. Der Anhang enthält ein Interview von Judith Früh mit dem „Tatort“-Koordinator Gebhard Henke (WDR) und eine alphabetische Auflistung der DVD-Veröffentlichungen. Coverfoto: Screenshot aus der Tatort-Folge SCHWINDELFREI (2013). Mehr zum Buch: WK2lZyjzTV4 / Zu sehen sind viele „Tatorte“ im Übrigen in der Programmgalerie des Museums für Film und Fernsehen im Filmhaus am Potsdamer Platz.