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03. November 2016

Alfred Kerr – Die Biographie

2016-alfred-kerrEr war der herausragende Theaterkritiker in Deutschland von 1900 bis 1933. Seine pointierten, oft sarkastischen, aber auch entdeckungsfreudigen Texte – jeweils römisch nummerierte Absätze – waren bei der Leserschaft beliebt und teilweise umstritten. Er galt als eitel und duldete keinen Widerspruch. Seine heftigsten Kontroversen hatte er mit Karl Krauss und Siegfried Jacobsohn. Von 1900 bis 1919 schrieb er vor allem für die Zeitung Der Tag, dann für das Berliner Tageblatt. Der Film wurde von ihm respektiert, es gibt einige interessante Texte, darunter einen Essay über den „Russenfilm“ (Eisenstein), aber keine Filmkritiken. Alfred Kerr (1867-1948) musste 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft ins Exil gehen. Er lebte und arbeitete ab 1935 in London. Die Biographie von Deborah Vietor-Engländer, Herausgeberin von zwei Bänden der Alfred Kerr-Werkausgabe, ist hervorragend recherchiert und spannend zu lesen. Die vier Teile (Der Junge aus Breslau – Die Eroberung der Pankestadt – In der Republik – Der Sturz ins Nichts) erzählen weitgehend chronologisch das Leben des Weinhändler-Sohns, der mit zwanzig Jahren nach Berlin geht und nach seiner Promotion schnell als Autor und Journalist Karriere macht. Neben dem Theater waren ihm Reisen – und das Schreiben darüber – besonders wichtig. Vietor-Engländer zitiert in ihrer Biographie ausführlich aus Kerrs Texten, sie hat viele kleine Kapitel gebildet, die thematische Zusammenhänge schaffen; eines, „Das Alte und das Neue“ (S. 350-353), handelt vom Film und Kerrs Tätigkeit als Juror für die Film-Oberprüfstelle. Auch sein Privatleben kommt zur Sprache. Ich habe Texte von Alfred Kerr immer gern gelesen, wusste aber bisher wenig über sein Leben. Das hat sich nach der 640-Seiten-Biographie geändert. Mehr zum Buch: alfred-kerr.html