11. September 2016
THE PERVERT’S GUIDE TO CINEMA (2006)
Ein 153-Minuten-Film von Sophie Fiennes. Mit starker Präsenz und großer Eloquenz nimmt uns der slowenische Philosoph und Psycho-analytiker Slavoj Žižek mit auf eine Reise durch die Filmgeschichte und interpretiert Erwartungen und Wirkungen von Zuschauerinnen und Zuschauern. „Das Kino ist letztlich eine perverse Kunstform“, sagt Žižek provokant zu Beginn und gibt diesem Film damit seinen Titel. Die erste Deutung erfährt der Film THE BIRDS von Alfred Hitchcock. „Warum greifen die Vögel an?“, fragt Žižek und die Antwort aus seiner Perspektive lautet: „Die gewaltsamen Angriffe der Vögel sind explosive Ausbrüche des mütterlichen Überichs, der mütterlichen Figur, die versucht, eine sexuelle Beziehung des Sohns zu verhindern. Die Vögel bedeuten also rohe, inzestuöse Energie.“ Der Analytiker sitzt dabei in einem Motorboot in der Bodega Bay, dem Schauplatz von Hitchcocks Film (Coverfoto). Dann wechselt er in den Keller des Hauses von PSYCHO und setzt seine Interpretation fort. Wenn für seine Kommentare kein geeigneter Ort gefunden wurde, steht er vor einer weißen Leinwand. Auch wenn die Selbstinszenierung gelegentlich sehr forciert wirkt, hat sie eine starke Intensität. Seine Rollenverteilung bei den Marx-Brothers: Groucho ist das Überich, Chico das Ego, Harpo das Es, es gibt dazu Ausschnitte aus DUCK SOUP. Mit sieben Filmen und einem Auftritt im Trailer steht Alfred Hitchcock an der Spitze der Titelliste, die insgesamt 43 Filme umfasst. Der zweite Favorit von Žižek ist David Lynch mit fünf Filmen. Chaplin, Kubrick, Tarkowskij und Disney sind zweimal vertreten, alles andere sind Einzelbeispiele. Das amerikanische Kino steht im Mittelpunkt, das asiatische ist ganz ausgespart. Ein deutscher Film ist dabei: DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE von Fritz Lang, im Zusammenhang mit dem Thema „Stimmen“. Andere wichtige Themen sind Musik, Todestrieb, Sehnsucht, Sexualität, Albträume, Dunkelheit, Ängstlichkeit, Magie und Glauben, Vaterfiguren. Wie schön, dass der Film jetzt in der „filmedition suhrkamp“ bei Absolut Medien als DVD erschienen ist, ich hätte ihn sonst wohl nicht gesehen. Das Booklet mit einem langen Interview von Marty Fairbairn mit der Filmemacherin Sophie Fiennes und zwei Texten von Žižek ist hervorragend. Mehr zur DVD: The+Pervert’s+Guide+to+Cinema