Texte & Reden
05. Juni 2016

Roman Polanski: fünf Filmeinführungen

Gesendet auf ARTE, 5. bis 8. Juni 2016

  1. Der Pianist (Sendung am 5. Juni, 20.15 Uhr)

DER PIANIST, Roman Polanskis Film über ein Schicksal im War-schauer Ghetto, gewann 2002 in Cannes die Goldene Palme. – Die Hauptfigur Wladyslaw Szpilman gab es wirklich, seine Autobiografie ist die Basis des Films. Adrien Brody hat die physische Kraft und das Charisma, um diesen fast sechsjährigen Kampf ums Überleben glaub-haft darzustellen. Wir sehen, wie er Hunger leidet, krank wird und immer wieder Glück im Unglück hat. Was er durchlebt, wird weit-gehend aus seiner Perspektive erzählt. – Von Anfang an spielt dabei die Musik eine zentrale Rolle, beginnend mit dem „Nocture in cis-Moll“. Später erklingt in einem zerstörten Haus Beethovens Mondschein-sonate. Dann hören wir minutenlang Chopins Ballade Nr. 1. Das Klavier dominiert. Auf konventionelle Filmmusik wird gänzlich verzichtet. – Polanski, der der Krakauer Ghetto überlebt hat, drehte mit dem PIANISTEN seinen wichtigsten historischen Film. Auch wenn er sonst zur Selbstkritik neigt, diesen Film akzeptiert er ohne Einschränkungen. – Sehen Sie nun das vielfach preisgekrönte Meisterwerk DER PIANIST.

 

  1. Die neun Pforten (Sendung am 6. Juni, 20.15 Uhr)

DIE NEUN PFORTEN ist ein Mystery-Thriller von Roman Polanski aus dem Jahr 1999. – Es geht in diesem Film um den Teufel und um Biblio-manie, also um Menschen, die von Büchern besessen sind. Boris Balkan ist so ein Verrückter, er hat einen Bücher-Detektiv engagiert, der die Echtheit des satanischen Hand­buchs „Die neun Pforten ins Reich der Schatten“ beweisen soll. Davon gibt es weltweit drei Exemplare, nur eines ist echt. – Der Bücher-Detektiv heißt Dean Corso und wird von Johnny Depp gespielt. Das ist für viele schon ein Grund, diesen Film zu lieben. Von New York fährt Dean Corso zuerst nach Toledo, dann nach Paris und schließlich in die französische Provinz. Er findet heraus, dass es vor allem um neun Holzschnitte in den Büchern geht. Zusammen bilden sie ein Rätsel, das den Menschen, der es löst, unsterblich macht. Bei seiner gefähr­lichen Mission wird er immer wieder von einer geheimnisvollen Frau gerettet. – Schon oft hat Roman Polanski aus der realen Welt filmische Ausflüge ins Reich der Vampire, der Halluzinationen und der Magie gemacht. Und weil er hervor­ragend mit Schauspielerinnen und Schauspielern umgehen kann und das Ganze brillant gefilmt ist, ist daraus ein spannender Mystery-Thriller geworden. Ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung mit Roman Polanskis Film DIE NEUN PFORTEN.

 

  1. Ekel (Sendung am 6. Juni, 22.25 Uhr)

EKEL, uraufgeführt 1965, war der erste Spielfilm, den Roman Polanski nach seinem Abschied aus Polen gedreht hat. Damals war er 33 Jahre alt. – Polanski nimmt uns mit auf eine Reise in die Welt von Carol Ledoux. Die sensible junge Frau leidet unter einer Sexualneurose, sie fühlt sich von Männern verfolgt. Nach und nach wird ihre Wohnung in London zum Schauplatz einer Horrorgeschichte. Durch Wechsel der Erzählperspektive merken wir Zuschauer zunehmend, wie Carol in den Wahnsinn entgleitet. – Die Hauptdarstellerin Catherine Deneuve stand damals mit 21 Jahren am Beginn ihrer Karriere. Sie ist in diesem Film bis auf wenige Momente immer im Bild. Grandios. – Andererseits spielt auch der Ton eine große Rolle: die Geräusche des Fahrstuhls, das Läuten der Klosterglocken, das überlaute Schrillen des Telefons und der Türklingel, später das krachende Bersten der Wände. Polanski mischt Elemente des Psychodramas und des Horrorfilms und beweist damit wieder einmal, dass er gern mit den Genres spielt. Sehen Sie nun Roman Polanskis Film EKEL.

 

  1. Venus im Pelz (Sendung am 8. Juni, 20.15 Uhr)

VENUS IM PELZ ist der jüngste Film von Roman Polanski. Er wurde 2013 in Cannes uraufgeführt. – Schauplatz ist ein kleines Theater in Paris. Wir erleben, wie zwei Personen ein Stück erarbeiten: Thomas, der Autor + Regisseur, und Vanda, die Schauspielerin. Thomas hat den ganzen Tag Schauspielerinnen gecastet für sein neues Stück, „Venus im Pelz“, doch keine hat ihm gefallen. Vanda kommt eigentlich zu spät, aber sie lässt sich nicht wegschicken. Damit ist der Kampf zwischen Mann und Frau eröffnet. Emmanuelle Seigner, Polanskis Ehefrau, spielt die Vanda, Mathieu Amalric, der aussieht wie der junge Polanski, den Regisseur Thomas. Während der Probe verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen Theater und Realität. Für beide Protagonisten eröffnen sich existentielle Abgründe. – Eine große Rolle spielt in diesem Film das Licht: die Scheinwerfer, das Zwielicht und die Dunkelheit. Für die Bildgestaltung war Pawel Edelman verantwortlich, mit dem der Regisseur schon mehrmals zusammen­gearbeitet hatte. Freuen Sie sich auf VENUS IM PELZ von Roman Polanski.

 

  1. Der Tod und das Mädchen (Sendung am 8. Juni, 22.40 Uhr)

DER TOD UND DAS MÄDCHEN von Roman Polanski wurde 1994 uraufgeführt. – Der Film spielt in Lateinamerika, in einem nicht benannten Land, fünf Jahre nach dem Ende der Diktatur. Wir können davon ausgehen, dass Chile gemeint ist. – Paulina Escobar, mit dem Anwalt Gerardo Escobar verheiratet, ist traumatisiert durch Folterungen und Vergewaltigungen, die sie als Oppositionelle erleiden musste. In dem Arzt Dr. Miranda glaubt sie ihren Peiniger zu erkennen. Nun versucht sie mit allen Mitteln, dies zu beweisen. Sigourney Weaver als Paulina, Ben Kingsley als Dr. Miranda und Stuart Wilson als Gerardo machen dieses politische Psycho­drama spannend bis zum überraschenden Ende. – Der Tod und das Mädchen ist in allen Kunstgattungen ein beliebtes Motiv. Natürlich kommt einem bei diesem Titel sofort Schuberts Streichquartett in den Sinn. Und wirklich lässt es Polanski am Anfang und am Ende des Films in einem Konzertsaal spielen, in dem sich die Blicke der Hauptdarsteller kreuzen. – DER TOD UND DAS MÄDCHEN, ein Psycho­drama von Roman Polanski sehen Sie jetzt auf ARTE.