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15. Oktober 2015

Classical Hollywood und kontinentale Philosophie

2015.Classical HollywoodIvo Ritzer, Absolvent der Mainzer Filmwissen-schaft, dessen Texte ich immer gern lese, weil sie klug und sachkundig sind, hat in der Reihe „Neue Perspektiven der Medienästhetik“ einen Band herausgegeben, in dem elf Autorinnen und Autoren über das Verhältnis zwischen Classical Hollywood und kontinentaler Philosophie reflektieren. Ritzers Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass sich in den letzten Jahren Philosophen verstärkt mit dem Medium Film auseinandersetzen, vor allem mit dem US-Kino der klassischen Studio-Ära: „Französische Poststrukturalisten wie Gilles Deleuze, Jacques Rancière, Alain Badiou und Jean-Luc Nancy, slowenische Neo-Lacanianer wie Slavoj žižek, Jean Cobjec und Malden Dolar, aber auch deutsche Postadorniten wie Martin Seel und Josef Früchtl, sie alle widmen sich intensiv einer Neu-Rezeption des Classical Hollywood.“ Seel eröffnet den Band mit einem „Selbstversuch“: er begründet, warum der Terminus „Hollywood“ in seinem Buch „Die Künste des Kinos“ (2013) nicht benutzt wird, und fordert, die theoretische Privilegierung von Hollywood zu vermeiden, um dessen ästhetische Qualitäten besser erkennen zu können. Thomas Meder und Ivo Ritzer setzen sich in einem gemeinsamen Text mit den Theorien des Kunsthistorikers Erwin Panofsky auseinander, der mit seinem Aufsatz „Style and Medium in the Motion Pictures“ (1946) wichtige Impulse für die Bewertung der Künste gegeben hat. Bei Malte Hagener geht es um die ideologiekritischen Analysen des Classical Hollywood in den 1970er Jahren – als beispielhaft gilt die kollektive Analyse der Cahiers du Cinéma-Redaktion von John Fords YOUNG MR. LINCOLN (1939) – , die in ihrer Detailbesessenheit paranoide Züge annahmen. Lisa Gotto lässt sich in ihrem Text „Der Mensch des (Hollywood-)Kinos“ von einer Publikation des Philosophen und Soziologen Edgar Morin begleiten. Ivo Ritzer konfrontiert Filme von Allan Dwan mit Thesen von Gilles Deleuze. Johannes Binotto stellt Überlegungen zu Jacques Lacan, Delmer Daves und dem Happyend an. Drehli Robnik thematisiert „Chaplins Slapstick als Denkbild von (Nicht)Philosophien politischer Macht bei Kracauer, žižek, Badiou und Rancière“. In drei Texten geht es dann um „Philosophien des Western“, sie stammen von Marcus Stiglegger (über John Ford), Ines Bayer (zur Krise des Körpers bei Anthony Mann) und Josef Früchtl (THE WILD BUNCH). Den Abschluss des Bandes bildet eine Betrachtung von Thomas Elsaesser über LIFE OF PI und die Film-Philosophie. Mehr zum Buch: book/9783658066192