Texte & Reden
24. Juni 2015

Verabschiedung Werner Sudendorf

Rede im Museum für Film- und Fernsehen

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde von Werner Sudendorf, liebe Gertrud, liebe Anna, lieber Jonas, lieber Werner,

natürlich könnte ich Dich erst einmal – nachdem wir den John Ford-Film gesehen haben – zu einem Searcher erklären, immer auf der Suche nach Archivalien, die Du für die Kinemathek erobern wolltest. Aber diese Sprachmetapher greift zu kurz, um Dir gerecht zu werden.

Also beginne ich mit einigen persönlichen Erinnerungen. Als Du am 1. Oktober 1981, als Nachfolger des früh verstorbenen Peter Hagemann, eine feste Position an der Kinemathek übernommen hast, sagtest Du mir in einem persönlichen Gespräch: „Länger als acht Jahre werde ich hier nicht bleiben. Ich brauche immer wieder Veränderungen und neue Herausforderungen.“ Aus den acht Jahren sind inzwischen fast 34 geworden. Offenbar gab es die neuen Herausforderungen auch in der Kinemathek. Und die Veränderungen waren dann eben Platzwechsel: von der Pommernallee in die Heerstraße, von Charlottenburg nach Spandau, in Dein Reich der MDCB, später aus der Streitstraße in die Reuchlinstraße in Moabit, dann kam 2000 der große Umzug an den Potsdamer Platz. Und zuletzt zogen die Sammlungen nach Marienfelde, an den Imhoffweg. Nicht zu vergessen: Deine private Durchquerung Berlins vom Lietzensee nach Pankow.

Dazu kamen viele Reisen zur Besichtigung und Einschätzung von Nachlässen, die wichtigste wohl gemeinsam mit Gero Gandert nach New York, in den Hangar, wo der Nachlass von Marlene Dietrich zusammengeführt wurde. Was für ein Schatz!!

Ich erinnere mich gern an eine gemeinsame Reise nach Mailand. Wir besuchten im September 1994 Giorgio Armani, um ihn für eine Beteiligung an unserer Ausstellung „Kino, Movie, Cinéma“ zu gewinnen. Wir hatten uns, wie wir fanden, angemessen gekleidet, und der große Modemacher erschien sehr lässig in kurzen Hosen. Das hat uns überrascht. Armani übernahm dann die Gestaltung eines Raums im Gropius-Bau und finanzierte die Restaurierung von Marlene-Dietrich-Kleidern.

Ich erinnere mich an die Eröffnung der Marlene-Dietrich-Ausstellung 2003 in Paris, einer Stadt, die Dir sehr vertraut ist. Du hattest Erfahrungen mit Metro-Streiks, ich ließ mir in der Straßenbahn 400 € aus der Hosentasche klauen. Aber die Ausstellungseröffnung im Musée Galliera war schön. Und seither gibt es auch einen Marlene Dietrich-Platz in Paris.

Marlene hat Dein Leben sehr geprägt. Ich finde es noch immer eine wunderbare Geschichte, dass Dein erstes Kinematheks-Projekt 1977 und 78 die beiden Bücher zur Marlene Dietrich-Retrospektive der Berlinale waren. Natürlich erschienen sie im Hanser Verlag, wo Du in den frühen 70er Jahren eine Lehre als Verlagsbuchhändler absolviert und dann als Herstellungsassistent gearbeitet hast. Die „Blaue Reihe“ hat die Kinemathek eng mit dem Hanser Verlag verbunden, als Du noch dort tätig warst. Dein eigenes Marlene-Dietrich-Buch hast Du dann 2001 in der Porträt-Reihe von dtv publiziert, gewidmet „den Damen der Marlene Dietrich Collection Berlin“.

Ich habe Dich in all den Jahren sehr als Autor bewundert. Deine Horst Buchholz-Biografie liest sich wunderbar, Dein Buch über Erich Kettelhut finde ich fabelhaft, Dein Band über Edmund Meisel war wichtig, auch wenn Du ihn damals für die Konkurrenz in Frankfurt gemacht hast. Das „Metropolis“-Buch, das Du zusammen mit Wolfgang Jacobsen publiziert hast, ist beeindruckend.

Aber es geht mir bei meiner Verneigung vor dem Autor Werner Sudendorf nicht nur um die großen Werke, sondern auch und vor allem um die vielen kürzeren Texte, in denen Du den Blick auf die eher Unbekannten gerichtet hast: zum Beispiel auf Henrik Galeen, Arthur Robison oder Karl Grune, auf die Schauspielerinnen und Schauspieler, die Du in einer ganz unprätentiösen Sprache würdigen kannst. Du warst ein wichtiger Autor der Hauszeitschriften „FilmGeschichte“ und „FilmExil“. Nicht zu vergessen: Deine Filmeinführungen, die man auch in München geliebt hat, und Deine Texte auf der Seite „newfilmcritic“. Sie ist sehr zu empfehlen.

Assoziationen: Der Hund an Deiner Seite: zuerst „Wassia“, die man einfach gern haben musste. Und dann „Oskar“, der es einem schwerer machte. – Ein Lachen, das auch mal schadenfroh klingen kann. – Eine Neugier auf Bücher (auch Kriminalromane), auf Filme, auf Städte, auf die Ferne und die Nähe. – Ein filmhistorisches Wissen, um das Dich viele beneiden. – Ein Standpunkt, eine Haltung, das bedeutet: nicht immer diplomatisch, vor allem an konkreten Lösungen interessiert, nicht unbedingt an langen Wartezeiten.

Ja, es gab auch Meinungsverschiedenheiten zwischen uns. Wenn ich Dir zu diplomatisch erschien oder zu konsenssüchtig. Wenn Du das Gefühl einer Benachteiligung hattest, weil zum Beispiel die Publikationen den Sammlungen vorgezogen wurden. Das war sicherlich gelegentlich der Fall. Ich bitte im Nachhinein um Vergebung.

Wir haben – zusammen mit Wolfgang Jacobsen – die Ständige Ausstellung in unserem Filmmuseum konzipiert. Du warst damals für die Bereiche „Frühgeschichte“, „Transatlantik“,„Marlene Dietrich“ (drei Räume) und „Leni Riefenstahl“ zuständig. Nicht zuletzt Dank unseres Ausstellungsarchitekten Hans-Dieter Schaal war die Zusammenarbeit außerordentlich produktiv. Deine Bereiche gibt es fast unverändert noch nach inzwischen 15 Jahren. Kompliment!! Wie oft hast Du in den letzten Jahren eigentlich unsere Ständige Ausstellung besucht? Das wollte ich Dich schon lange fragen.

Als Leiter der Sammlungen hattest Du für die verschiedenen Bereiche sehr kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Viele, fast alle sind heute hier. Du hast im „Kleinen Kreis“ oder auch im Vier-Augen-Gespräch ihre Interessen vertreten, sofern es die Interessen der Sammlungen waren. Du hast die Sammlungen erweitert u.a. um die Bereiche „Dreidimensionale Objekte“, Kostüme, Special Effects. Zu den bereits vorhandenen Nachlässen kamen immer neue hinzu. Ich nenne nur einige, wenige Namen: Fritz Lang, Erich Pommer, Paul Kohner, Hildegard Knef, Heinz Rühmann, Horst Buchholz.

Mit Dir kam – sehr früh – der Umstieg von der Karteikarte zur EDV. Die Sammlungen waren die erste Abteilung der Kinemathek mit Computern. „Filemaker“ war damals noch ein Fremdwort. Als Pionier im Dschungel der Systeme hattest Du meist den richtigen Weg vor Augen, auch wenn Dir da nicht immer alle folgen konnten (oder wollten).

Heute, am Ende seiner Dienstzeit, kann man wirklich sagen: Werner Sudendorf hat sich um die Sammlungen der Kinemathek verdient gemacht.

Seinem Nachfolger Peter Mänz, der zunächst als Betreuer der Plakatsammlung und dann als Leiter der Ausstellungsabteilung die Kinemathek seit über 20 Jahren bestens kennt, wünsche ich in seiner neuen Funktion alles Gute.

Danke, lieber Werner, für Deinen persönlichen Einsatz in den vergangenen 34 Jahren. Du hinterlässt eine gut aufgestellte Abteilung, und es gibt heute sicherlich die eine oder andere Abschiedsträne. Ich hoffe, Du bleibst dem Haus freundschaftlich verbunden. Und, das weiß ich aus eigener Erfahrung, man kann auch im Ruhestand noch das eine oder andere tun.

Berlin, Museum für Film und Fernsehen, Veranstaltungsraum, 24. Juni 2015

(Foto: Thilo Rückeis, Der Tagesspiegel)