Texte & Reden
08. November 2014

Benno Meyer-Wehlack (1928-2014)

Nachruf in der Mitgliederversammlung der Akademie der Künste

Schriftsteller wollte er schon werden, als er 15 Jahre alt war. Aber es dauerte dann doch noch elf Jahre, bis er zum professionellen Autor wurde und der NDR sein erstes Hörspiel sendete. Zuvor hat er als Schauspieler und Platzanweiser, als Landvermessungsgehilfe, Verlagsbote und Dachdecker gearbeitet. Das hat seinen Blick für die Realitäten und für die Situation der Menschen geprägt, denen er sich nahe fühlte.

Er hat Kurzgeschichten geschrieben, Drehbücher und vor allem Hörspiele. So hat es auch seine Logik, dass er zu den Gründungsmitgliedern der Sektion Film- und Medienkunst unserer Akademie gehörte.

Auf dem Formular für neue Mitglieder antwortete er damals, im November 1984, auf die Frage nach Pseudonymen oder Künstlernamen: „leider nein“. Manche Freunde nahmen seine Initialen als Anrede. Das war mit einer gewissen Ironie verbunden, denn elegante Autos waren ihm so fremd wie Königsschlösser oder Pelzmäntel.

Zwischen 1954 und 2004 wurden mehr als 30 Hörspiele von Benno Meyer-Wehlack gesendet. Das war ein Medium, das ihm besonders am Herzen lag. Es vermittelt seine Geschichten in Dialogen, mit Geräuschen, auch mit Musik. Es verlangt Sensibilität in der Dramaturgie. Der Titel seines ersten Hörspiels hieß „Kreidestriche ins Ungewisse“. Aber Bennos Texte blieben nie im Ungefähren. Sie waren konkret, manchmal parabelhaft, gern lakonisch. Schon 1957 erhielt er für „Die Versuchung“ den renommierten Hörspielpreis der Kriegsblinden. Wichtige Titel der späteren Jahre waren „Die Sonne des fremden Himmels“, „Die Frau in Blau“, „Was ich schon immer sagen wollte“, „Das Kraut im Taschentuch“ und – mir unvergesslich – „Der alte Mann und das Stillleben“, 1999, ein Monolog, gesprochen von Horst Bollmann, die Erinnerung an den traumatischen Moment, als er als junger Mensch in einem Amtsgebäude am Sophie-Charlotte-Platz den Freitod der eigenen Eltern melden muss.

Drei Jahre, von 1959 bis 1961, war Benno Meyer-Wehlack Fernsehspieldramaturg in Baden-Baden, beim damaligen Südwestfunk, arbeitete eng mit Peter Lilienthal und Michael Ballhaus zusammen. Ich erinnere mich an „Die Nachbarskinder“ und „Stück für Stück“. Später haben Tom Toelle, Herbert Vesely und Günter Gräwert Drehbücher von Benno realisiert. In der offiziellen Fernsehgeschichte sind sie eher in Vergessenheit geraten.

1966 wurde die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin gegründet. Benno Meyer-Wehlack gehörte – wie Peter Lilienthal und Michael Ballhaus – zu den Dozenten der ersten Stunde. Und lernte dort die Studentin Irena Vrkljan kennen, die er Anfang der siebziger Jahre geheiratet hat. Die Verbindung zu ihrer Heimatstadt Zagreb war für Irena und Benno existentiell, sie verbrachten dort oft viele Monate und sorgten auf ihre Weise für eine enge Verbindung zwischen den Kulturen.

Benno Meyer-Wehlack war bescheiden, fast schüchtern. Er liebte nicht den öffentlichen Auftritt. Eine seiner großen Förderinnen war Maria Müller-Sommer, die ihn über ihren Bühnenvertrieb Kiepenheuer über viele Jahrzehnte betreut und für ihn gesorgt hat. Leider war kein literarischer Verlag fest mit ihm verbunden. Die autobiografischen Texte „Das Kinokind“, „Das Theaterkind“, „Das Lesekind“ wurden mit Linolschnitten von Klaus Hohlfeld bei der Mariannen-Presse publiziert. Der sehr lesenswerte Roman „Ernestine geht“ erschien 2003 bei Jung und Jung in Salzburg und Wien. Auf den Roman „Der Schlattenschammes“ warten wir seit drei Jahrzehnten. Es gibt viele unveröffentlichte Texte im Nachlass.

Wenn ich an Benno denke, dann höre ich immer seine leise, nach den richtigen Formulierungen suchende Stimme. Wir vermissen ihn.

Berlin, Akademie der Künste, 8. November 2014

Foto: Renate v. Mangoldt