03. Oktober 2014
Kastelau – ein Roman
Vor drei Jahren hat der Schweizer Autor Charles Lewinsky den Roman „Gerron“ publiziert, der einige Tage des Schauspielers Kurt Gerron im KZ und im persönlichen Rückblick auch sein Leben in fiktionaler Form rekapituliert. Auch Lewinskys neuer Roman „Kastelau“ ist ein fiktiver Blick in die deutsche Filmszene 1944/45. In einer raffinierten Montage erzählt er die Geschichte eines Filmteams, das aus dem bombenbedrohten Berlin in die Idylle des bayerischen Dorfes Kastelau reist, angeblich um dort den Film „Lied der Freiheit“ zu drehen, in Wahrheit, um das Kriegsende abzuwarten. Die Dorfidylle wird zum psychischen Kriegsschauplatz, am Ende wird der Drehbuchautor offenbar von einem Schauspieler erschossen. In einem Prolog erfahren wir, dass im Juni 2011 der amerikanische Filmforscher Samuel A. Saunders, nachdem er auf dem Hollywood Boulevard in L.A. den Stern des Schauspielers Arnie Walton beschädigt hatte, von der Polizei angeschossen wurde und an einem Herzinfarkt gestorben ist. Saunders hinterließ die Fragmente einer Dissertation. Thema dieser Dissertation war das Leben des Schauspielers Arnie Walton, der unter dem Namen Walter Arnold in Deutschland 13 Filme gedreht hatte – zuletzt wirkte er an dem Filmprojekt „Lied der Freiheit“ mit – , dann in die USA emigrierte und dort zum Star wurde. Saunders hatte bei seinen Recherchen herausgefunden, dass Arnold in Kastelau wohl den Drehbuchautor Walter Wagenknecht erschossen hat. Uns Lesern wird die Geschichte aus mehreren Perspektiven erzählt: in der Form eines Interviews von Saunders mit der Schauspielerin Tiziana Adam, die zum Team in Kastelau gehörte, in Tagebucheintragungen des Drehbuchautors Wagenknecht, in Auszügen aus dem Manuskript von Saunders, in Drehbuchzitaten und verschiedenen anderen Dokumenten. Diese Montage liest sich spannend, die Einzelteile sind in ihrem jeweiligen Stil (insbesondere im Interview mit Tizi Adam) sehr prägnant, und der Blick zurück in die letzten Monate der Nazizeit ist erstaunlich informativ. – Natürlich erinnern wir uns daran, dass der Autor Erich Kästner die letzten Monate vor Kriegsende mit einem Filmteam in Mayrhofen in Tirol verbracht hat, um dort das Filmprojekt „Das falsche Gesicht“ zu realisieren. Darüber gibt es seine Tagebuchaufzeichnungen „Notabene 45“. Im Unterschied dazu sind Lewinskys Texte pure Fiktion. Mehr zum Buch: 978-3-312-00630-4/