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30. September 2014

Die DEFA: A Companion

2014.DefaIn 13 Kapiteln versuchen die Herausgeber Marc Silberman und Henning Wrage, die Geschichte des DEFA-Films, seiner Genres und Themen in einem breit gefächerten Rückblick zu erschließen. In ihrer Einleitung vermitteln sie die Basis für das Selbstverständnis des DDR-Films, der sich dezidiert in den Dienst eines neuen Gesellschaftssystems stellte und politisch kontrolliert wurde. Die künstlerische Freiheit, die sich Autoren und Regisseure herausnahmen, spielt in vielen Texten eine Rolle. So konzentriert sich das erste Kapitel, „Cinema und Socialist Modernity“, auf drei Filme: Slatan Dudows FRAUENSCHICKSALE (1952), Frank Beyers SPUR DER STEINE (1966) und Egon Günthers DER DRITTE (1972); Autor: Hunter Bivens. Manuel Köppen wählt für seinen Text „Emplotting Antifacism: Heroes, Scoundrels, Traitors“ fünf Filmbeispiele aus: Wolfgang Staudtes ROTATION (1949), Kurt Maetzigs zweiteiligen ERNST THÄLMANN (1954/55), Beyers FÜNF PATRONENHÜLSEN (1960), Rolf Römers HE, DU! (1970) und Roland Gräfs DIE FLUCHT (1977). Barton Byg, einer der großen Kenner des DDR-Films in den USA, beschäftigt sich mit „Divided Loyalties: Technocrats and the Working Class“, seine Beispiele sind Maetzigs DER RAT DER GÖTTER (1950), Achim Hübners Fernsehfilm DR. SCHLÜTER (1965), Konrad Wolfs DER GETEILTE HIMMEL (1964), Peter Kahanes DIE ARCHITEKTEN und Rainer Simons DIE BESTEIGUNG DES CHIMBORAZO (beide 1989). Die Künstlerfilme der DEFA waren ein besonders interessantes Genre. Seán Allan schreibt über Maetzigs ROMAN EINER JUNGEN EHE (1952), Ralf Kirstens DER VERLORENE ENGEL (1965), Konrad Wolfs GOYA (1971) und DER NACKTE MANN AUF DEM SPORTPLATZ (1974) und Horst Seemanns BEETHOVEN – TAGE AUS EINEM LEBEN (1976). Anke Pinkert bringt zum Thema „Familiy Feelings: Kinship, Gender and Social Utopia“ sehr viele Filme ins Spiel, etwas ausführlicher lässt sie auf Frank Vogels DAS SIEBENTE JAHR (1968) ein. Vier Kapitel sind dem Unterhaltungsfilm gewidmet. Stefan Soldovieri behandelt den DEFA-Musikfilm und geht sehr differenziert auf Hans Heinrichs MEINE FRAU MACHT MUSIK (1958) ein. Brad Prager analysiert speziell die Darstellung des Westens im DEFA-Kriminalfilm, zu seinen Beispielen gehören Werner Klinglers RAZZIA (1947), Gerhard Kleins ALARM IM ZIRKUS (1954), Hans-Joachim Kunerts SEILERGASSE 8 (1960) und Günter Scholz’ VERNEHMUNG DER ZEUGEN (1987). Bei Jaimey Fisher geht es um Science-fiction, Literaturverfilmung und Indianerfilme. Für jedes Genre gibt es ein Musterbeispiel: IM STAUB DER STERNE (1976) von Gottfried Kolditz, DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHERS (1976) von Egon Günther und DER SCOUT (1983) von Konrad Petzold. Sabine Hake, mit der deutschen Filmgeschichte bestens vertraut, setzt sich in ihrem Essay „Public Figures, Political Symbold, Famous Stars“ sehr differenziert mit dem sozialistischen Starsystem auseinander; ihre Protagonisten sind Erwin Geschonneck, Manfred Krug und Armin Mueller-Stahl. Die Verbindung zwischen der DEFA und dem osteuropäischen Kino thematisiert Larson Powell. Er konfrontiert den tschechoslowakischen Film DAS GESCHÄFT IN DER HAUPTSTRASSE (1965) von Ján Kadár und Elmar Klos mit Frank Beyers JAKOB DER LÜGNER (1975) und DER MANN AUS MARMOR (1977) von Andrzej Wajda mit Rainer Simons JADUP UND BOEL (1980/88). Auch dem DEFA-Kinderfilm ist natürlich ein eigenes Kapitel gewidmet. Benita Blessing schreibt über verschiedene Filme, am eindrucksvollsten über SABINE KLEIST, 7 JAHRE (1982) von Helmut Dziuba. Henning Wrage entdeckt die internationalen Einflüsse in DEFA-Filmen der 50er und 60er Jahre, die sich mit Problemen Jugendlicher beschäftigen, speziell BERLIN – ECKE SCHÖNHAUSER… (1957) von Gerhard Klein (Drehbuch: Wolfgang Kohlhaase) und DENK BLOSS NICHT, ICH HEULE (1965) von Frank Vogel. Das letzte, für mich schwächste Kapitel ist dem Dokumentarfilm vorbehalten. Nick Hodgin konzentiert seinen Text auf Jürgen Böttcher (sehr gut dargestellt) und Kurt Tetzlaff; Volker Koepp und Winfried Junge werden nur beiläufig erwähnt. Das ist zu wenig für einen „Companion“. Die Qualitäten des Buches sind insgesamt beachtlich. Coverfoto: das Kino International zeigt DIE GLATZKOPFBANDE (1963). Mehr zum Buch: u9hdOQ&result=1