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07. März 2014

Farbe, Licht, Empathie

2014.Farbe u.a.1989 hat sie das Institut für Filmwissenschaft an der Universität Zürich gegründet und bis 2002 war sie dessen Leiterin. Christine N. Brinckmann hat in Forschung und Lehre Maßstäbe gesetzt, viele Promotionen auf hohem Niveau betreut und selbst zu den verschie-densten Themen publiziert. Ihre Spezialgebiete sind der Experi-mentalfilm, der amerikanische Dokumentarismus und das Hollywoodkino. Seit 1995 gibt sie die Reihe „Zürcher Filmstudien“ heraus, die seit 2001 im Schüren Verlag erscheinen und für mich eine der führenden wissenschaftlichen Filmbuchreihen sind. Als Band 31 ist jetzt zum zweiten Mal (nach „Die antropomorphe Kamera“, 1997) eine Anthologie mit Brinckmann-Texten erschienen. Ihre Lektüre ist in der Sache und im Stil ein Genuss, weil die Autorin sich in keinem theoretischen Überbau verirrt, sondern konkret beschreibt, was sie in bestimmten Filmen sieht und für mitteilenswert hält. 16 Texte aus den Jahren 1995 bis 2012 hat sie zusammen mit der Herausgeberin Britta Hartmann für den Band ausgewählt. Sie handeln von Farbe, Licht und Empathie. Ich halte alle Texte für lesenswert, aber einige haben mir besonders gut gefallen. Der Essay „Filmische Farbe als Abbild und Artefakt“ (2001) beschreibt die speziellen Schwierigkeiten im Umgang mit der Farbe in Fotografie und Film. Zur Konkretisierung werden dann zwei Filme gegenübergestellt, die extrem unterschiedlich mit der Farbe umgehen: PAL JOEY (1957) von George Sidney und CHUNGKING-EXPRESS (1994) von Wong Kar-wai. Brinckmanns Analyse ist phänomenal in der Differenzierung und Genauigkeit. Sie wird gestützt durch 16 Abbildungen von höchster Qualität. In dem Text „Dramaturgische Farbakkorde“ (2006) geht es um fünf Hollywood-Filme der 1950er und 60er Jahre: THE GIRL CAN’T HELP IT von Frank Tashlin, DESIGNING WOMAN von Vincente Minnelli, LES GIRLS von George Cukor, BACHELOR IN PARADISE von Jack Arnold und LOVER COME BACK von Delbert Mann. Wunderbare Farbbeschreibungen, 22 exzellente Fotos. Im Licht-Kapitel (vier Texte) handelt der wohl wichtigste Essay von „Diegetischem und nondiegetischem Licht“(2007). Brinckmann unterscheidet da zwischen neun Formen des Lichts. Die theoretische Begriffsbestimmung wird zum Schluss mit einem Filmbeispiel konkretisiert: der Sterbeszene am Ende von G. W. Pabsts westfront 1918 (1930). Im Empathie-Kapitel haben mich zwei Texte besonders begeistert: die „Fallstudie“ über „Empathie im Dokumentarfilm“ (2005), die sich mit Georg Stefan Trollers Film BEGEGNUNG IM KNAST (1984) beschäftigt und als eine große Hommage für den von mir sehr verehrten Dokumentaristen zu lesen ist. Und schließlich der Essay „Zuschauerempathie und Mosaikstruktur in Wisemans PRIMATE“ (2009), über die Beobachtungen in einem wissenschaftlichen Institut, das Primatenforschung betreibt. Die Analyse der Zuschauergefühle bei einem berühmten Dokumentarfilm aus dem Jahr 1974 wirkt in keinem Moment spekulativ. – Man wünscht sich noch viele Texte von Christine N. Brickmann, einzeln und gesammelt. Mehr zum Buch: farbe-licht-empathie.html