Texte & Reden
03. Juli 2009

SOLO SUNNY (1979)

Text für die Süddeutsche Zeitung und die DVD

Was bleibt eigentlich von der DDR und ihrer Filmfirma DEFA in Erinnerung? Zum Beispiel die starken Frauen der siebziger Jahre: die Mathematikerin Margit, die ihren dritten Mann sucht, die HO-Verkäuferin Paula, die auf individuellem Glück besteht, die Schlager-sängerin Ingrid, genannt „Sunny“, die durch die DDR tingelt, aber andere Ansprüche an das Leben hat.

Sunny, 25, wohnt in einer Hinterhofwohnung auf dem Ostberliner Prenzlauer Berg, singt bei den „Tornados“, wechselt häufiger die Männer, verweigert sich dem Saxophonisten Norbert, verliebt sich in den Diplomphilosophen Ralph, der mit ihr überfordert ist, wird aus der Band verdrängt, unternimmt einen Selbstmordversuch, wird durch die Solidarität einer Kollegin aufgefangen und bewirbt sich bei einer jungen Musikergruppe als Sängerin. Ende offen.

Solo Sunny ist zugleich Komödie, Melodram, Roadmovie und Womanpic. Für die Regie zeichneten zwei Männer verantwortlich, denen das DDR-Kino viel zu verdanken hat: Konrad Wolf und Wolfgang Kohlhaase. Wolf war bei der DEFA vor allem für die Vergangenheitsbewältigung zuständig; Solo Sunny wurde zu seinem Abschiedsspielfilm, er starb 1982. Kohlhaase ist bis heute einer der herausragenden deutschen Dialogautoren, dessen Schlagfertigkeit und Milieusicherheit seit den fünfziger Jahren zu bewundern sind. Wolf und Kohlhaase haben damals gemeinsam inszeniert und daraus resultiert wohl der Dualismus von Leichtigkeit und Tiefe, Genauigkeit und Auslassung, Individualität und Teamleistung.

Mit Renate Krößner hatten sie eine noch unerfahrene, aber ehrgeizige Hauptdarstellerin zur Verfügung, die mit Verve die Ambivalenzen dieser Sunny ausdrücken kann. Einem Liebhaber, der morgens nicht aus dem Bett kommt, sagt sie „Is’ ohne Frühstück!“, und als er sich darüber beschweren will, kommt der Nachsatz „Is’ auch ohne Diskussion!“ Sie kann mit Worten zurückschlagen oder auch mit dem Absatz eines Schuhs, wenn sie von den falschen Männern begehrt wird. Und sie kann sich mit einem schier endlosen Blick in den Spiegel auf die Suche machen nach ihren Träumen, die mit der Realität nicht korrespon-dieren. Für ihre darstellerische Leistung erhielt Renate Krößner bei der Berlinale 1980 einen „Silbernen Bären“.

Solo Sunny ist das Porträt einer Frau und das Panorama eines Landes. Ein Bewunderer des Films ist der Regisseur Andreas Dresen, der sich gern daran erinnert, dass er den Film als Sechzehnjähriger gesehen hat, und 18 Jahre später resümiert: „Konrad Wolf erzählt eine tiefe Wahrheit über dieses kleine, manchmal liebenswerte, manchmal sehr mittelmäßige und manchmal einen zur Verzweiflung treibende Land DDR. Wer etwas über dieses Land erfahren will, muss sich einen Film wie Solo Sunny nur sehr genau angucken, dann wird er viel begreifen.“ Dieser Film hat das Land überlebt.

Süddeutsche Zeitung, 19.1.2010, SZ-Cinemathek 60 Jahre Berlinale, Film 2