Texte & Reden
29. April 2008

THE QUIET MAN (1952)

Text für die Süddeutsche Zeitung und die DVD

Einerseits handelt dieser Film von zwei starken Männern: Sean Thornton, ein Boxer, kehrt aus Amerika zurück in seinen Geburtsort Inisfree in Irland. Er hat seinen letzten Gegner im Ring getötet und will künftig gewaltfrei leben. Aber das funktioniert nicht in der kleinen, ritualisierten Welt zwischen Kneipe, Kirche und Kuhstall. Thornton gerät mit seinem streitlustigen Nachbarn Will Danagher aneinander: zuerst geht es um das Haus, auf das beide scharf sind, dann um Danaghers Schwester Mary Kate, in die sich Thornton sofort verliebt hat (Gegenliebe eingeschlossen), und schließlich wird nach erfolgter Hochzeit die Mitgift zum definitiven Konflikt. Danagher verweigert sie, Thornton würde gern auf sie verzichten, aber die stolze Mary Kate will die Ehe erst auf der Basis des Geldtransfers vollziehen. So läuft der Film auf einen Showdown zu, der unter Beteiligung aller Dorfbewohner streng nach den „Queensbury-Regeln“ stattfindet. Er dauert sieben Minuten. Danach lassen sich Thornton und Danagher, die beiden starken Männer, betrunken vereint, von Mary Kate das Frühstück servieren.

Andererseits handelt dieser Film von einer Traumfrau. Als Thornton, gerade in Inisfree angekommen, auf grünen Hügeln eine Schafsherde sieht, traut er seinen Augen nicht: mittendrin steht ein Mädchen wie aus dem Bilderbuch, mit rotem Rock und blauer Bluse, Sommer-sprossen, großen grünen Augen und wilden, braunroten Haaren. „Is that real?“, fragt der Heimkehrer und verliebt sich auf der Stelle. Maureen O’Hara als Mary Kate ist eine wunderbare Mischung aus Traum und Realität. Sie ist selbstbewusst, jähzornig, erwartungsvoll sich nach Liebe sehnend, dienend und herrschend, widerständig und sehr verletzlich. Beim Pferderennen, einer Schlüsselszene, trägt sie einen gelben Hut, ein blaues Kleid, ein weißes Band und hat dunkelrote Lippen. The Quiet Man ist ein Film in Technicolor. Das war das schönste Farbverfahren, das es je gab. Und irgendjemand hat einmal gesagt, es sei speziell für Maureen O’Hara erfunden worden.

Ihre Liebeszenen in diesem Film sind erotisch aufgeladen: der erste Kuss in der Nacht, im Sturm; zuerst wehrt sie sich, dann küsst sie zurück. Später gibt es eine Liebeszene auf dem Friedhof; ein plötzliches Gewitter, kissing in the rain. John Ford, der Regisseur des Films, sprach von einer „sexy story“. Die Irin Maureen O’Hara war eine seiner Lieblingsschauspielerinnen. Über die Dreharbeiten in Irland im Sommer 51 kursieren unterschiedliche Darstellungen. Ford behauptete, es habe immerzu geregnet. Maureen O’Hara erinnert sich in ihrer Autobiografie (2003) an ständigen Sonnenschein.

Leider lüftet sie nicht das Geheimnis der letzten Szene des Films. Da flüstert Mary Kate ihrem Ehemann etwas ins Ohr, was wir nicht hören können. Dann laufen beide ins Haus. Der Text, den O’Hara eigentlich nicht sprechen wollte, stammte von John Ford. Sie hat ihn ihrem Partner unter der Voraussetzung ins Ohr geflüstert, dass er ein Geheimnis der drei Beteiligten bleibe. John Ford ist tot. Auch der Darsteller des quiet man Sean Thornton lebt nicht mehr. Das war John Wayne. Und O’Hara schweigt.

Süddeutsche Zeitung, 29.04.2008, DVD-Kolumne in der Reihe Traumfrauen der SZ-Cinemathek, Film 23