03. November 2007
Egon Monk (1927-2007)
Nachruf in der Mitgliederversammlung der Akademie der Künste
Ich muss, wenn ich über Egon Monk spreche, genau sein. Denn Genauigkeit war einer der Ansprüche, die sein Leben bestimmt haben. Genauigkeit der Erinnerung, der visuellen Darstellung, der sprachlichen Vermittlung. Nur nichts dem Ungefähren des Gefühls überlassen. Das seien wir der deutschen Geschichte schuldig. Das war Egon Monk sich selbst schuldig. Auch wenn ich die Biografie von Egon Monk auf wenige Jahreszahlen, Orte und Funktionen zuspitze, lässt sich ahnen, wie konsequent das Leben dieses großen deutschen Fernsehregisseurs gelebt worden ist.
1927 – Berlin-Wedding – Sohn einer Arbeiterfamilie
Das klingt wie ein biografisches Klischee. Aber die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen Nazis und Kommunisten erlebt Egon Monk als Kind und vergisst sie nie. Er bezieht sich häufig auf konkrete Erinnerungen, wenn er deutsche Geschichte im Fernsehfilm darstellt.
1945 – N 65 – Arbeitsdienst
In dem Episodenfilm augenblick des friedens verarbeitet Egon Monk autobiografisch sein Erleben des Kriegsendes 1945. Er ist davongekommen. Kein Fronteinsatz, keine folgenreichen Verletzungen. Er weiß, dass das Ende des Krieges eine Befreiung ist, kein Zusammenbruch. Dass jetzt anders gelebt werden muss. Er beginnt eine Ausbildung als Schauspieler, dann ein Regiestudium.
1949 – Schiffbauerdamm – Assistent
Egon Monk ist 22, als Bertolt Brecht ihm anbietet, Assistent am Berliner Ensemble zu werden. Das hat inzwischen fast die Dimension einer Legende: nah bei Brecht einen Bildungsort zu finden ohne eigene Theatererfahrungen vorweisen zu können. Monk inszeniert „Biberpelz und Roter Hahn“ als Doppelstück, „Die Gewehre der Frau Carrar“, den „Urfaust“. Er lernt. Von niemandem, sagt er später immer wieder, habe er mehr gelernt als von Brecht. Sein eigenwilliges Denken fällt auf.
1953 – Grenzübergang – Ostflüchtling
Egon Monk fühlt sich bei der Inszenierung des „Urfaust“ politisch unter Druck gesetzt. Er verlässt das Berliner Ensemble, weil er keine ideologische Unterwürfigkeit vertragen kann. Er geht in eine Ungewissheit. Über die Zwischenstation Westberlin (RIAS) führt ihn der Weg nach Hamburg, zum NDR, zuerst in die Hörspielabteilung, dann zum Fernsehspiel.
1960 – Rothenbaumchaussee – Abteilungsleiter
Egon Monk übernimmt die Leitung der neu gegründeten Fernsehspielredaktion des NDR. Noch sind die, die beim Fernsehen Verantwortung tragen und Programm machen, Pioniere. Das Maß des Erfolges sind nicht Quoten, sondern Ideen, die das neue Medium voranbringen. Monk ist innovativ. Es geht ihm um gesellschaftliche Realität, um Aufklärung, aber mit spezifischen Fernsehmitteln. anfrage, schlachtvieh, wilhelmsburger freitag, preis der freiheit und ein tag – das war der fiktionale, detailgenaue Bericht über einen Tag in einem deutschen Konzentrationslager. Diese Titel machten Egon Monk zum wichtigsten Protagonisten des Fernsehspiels der sechziger Jahre. Man sprach von der „Hamburgischen Dramaturgie“. Und Monk brachte den neuen deutschen Dokumentarfilm auf den Weg: Eberhard Fechner und Klaus Wildenhahn begannen ihre Arbeit unter seinen Fittichen beim NDR. Auch das gehört inzwischen zur Fernsehgeschichte.
1968 – Kirchenallee – Intendant
Egon Monk übernimmt die Leitung des Deutschen Schauspielhauses. Das war ein Fehler. Er kommt mit der Opposition der Hamburger Presse und den Erwartungen des Hanseatischen Publikums nicht zurecht. Er quittiert seinen Dienst nach zweieinhalb Monaten, kann aber nicht zu seinem Sender zurückkehren. Er wird „freier“ Fernsehregisseur. Man nennt so etwas einen Karriereknick. Monk übersteht ihn, realisiert 1970 das Fernsehspiel industrielandschaft mit einzelhändlern. Dann folgen zwei mehrteilige Werke nach literarischen Vorlagen, die deutsche Geschichte thematisieren: bauern, bonzen und bomben nach Fallada und die geschwister oppermann nach Feuchtwanger. Wenn ich solche Titel nenne, appelliere ich an Ihr Erinnerungsvermögen.
1984 – Hanseatenweg – Akademie-Mitglied
Egon Monk war Gründungsmitglied der Sektion Film- und Medienkunst der Akademie der Künste. Er hat sich engagiert, unter anderem beim Projekt einer „Deutschen Mediathek“. Wenn er zu den Mitgliederversammlungen kam, war er ein wichtiger Gesprächspartner. Unübersehbar, unüberhörbar.
die bertinis, Monks letzter Film, entstand für das ZDF. Es war ein Projekt, das Eberhard Fechner begonnen hatte. Es war ein Publikumserfolg, aber er hatte keine Folgen. Monk kannte das Fernsehen gut genug, um zu spüren, dass er und sein Medium sich fremd geworden waren.
Egon Monk war als Künstler immer auch ein Analytiker. Ich habe niemanden kennen gelernt, der mit so kühler Distanz und rhetorischer Konzentration über seine Arbeit und sein Leben sprechen konnte wie er. Es gab Momente, in denen mir das ritualisiert erschien. Wo ich dachte, wie kann man solchen Abstand zu sich selbst haben? Andererseits habe ich das natürlich auch immer bewundert. Eine emotionale Beziehung gab es mit ihm nur verdeckt. Man musste sie ahnen, die Signale entziffern. Ich vermisse seinen Kopf, seine Stimme, seinen Blick. Ich vermisse Egon Monk.
Berlin, Akademie der Künste, 3. November 2007