Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Januar 2008

Daniela Kloock (Hg.)
Zukunft Kino
The End of the Reel World.
Schüren Verlag, Marburg 2008
352 S., 49,00 Euro
ISBN 978-3-89472-483-2

Daniela Kloock (Hg.):
Zukunft Kino.
The End of the Reel World

Eine Traumfrau ist es nicht, die uns vom Cover dieses Buches anschaut. Und man kann seine Zweifel haben, ob das Kino, das mit diesem kühlen Kopf imaginiert wird, wirklich eine Zukunft hat. Aber es ist angebracht, sich über diese Zukunft Gedanken zu machen, und das geschieht in diesem Buch auf sehr komplexe Weise.

Die Herausgeberin hat dreizehn Autoren, drei Autorinnen und fünf Filmemacher für die Mitarbeit gewinnen können. Drei einleitende Basistexte stammen von dem Medienwissenschaftler Gundolf S. Freyermuth, dem Filmhistoriker Thomas Elsaesser und dem Professor für Bildtechnik Peter C. Slansky. Sie liefern die wichtigsten Informationen und Fragestellungen für die folgenden Rückblicke und Perspektiven. Von der Lust des Schauens und der Seele des Kinos handeln dann die Beiträge von Peter Glaser (Berlin), Norbert Grob (Mainz), Elisabeth Bronfen (Zürich) und Herbert Schwaab (Bochum). Besonders Grobs Passage durch die Filmgeschichte und Bronfens Assoziationen zum Kino der Nacht führen ins Zentrum des Diskurses über das „Wesen“ des Kinos. Um Wahrnehmungsbrüche geht es bei Siegfried Zielinski („Kino als Zeitmaschine“), Hinderk M. Emrich/Bert te Wild („Film entsteht im Kopf“) und Georg Seeßlen („Warum Bilder kein Gegenüber mehr sind.“). Tobias Moorstedt, Karin Wehn und Susanne Weingarten machen sich über die Zusammenhänge zwischen Spiel, Technologie und Bildästhetik Gedanken. Der Informatiker Klaus Rebensburg, die Herausgeberin Daniela Kloock, der Multimediaexperte Wolf Siegert und der britische Filmemacher Peter Greenaway entwickeln mit ihren Texten über „Digitales Kino als Erlebnismodell der Zukunft“ interessante Perspektiven.

Am Ende stehen vier Gespräche: mit dem Kameramann Benedict Neuenfels („Über das Geheimnis der Aneinanderreihung von Filmbildern“) und den Regisseuren Christoph Hochhäusler („Im Rauschen der Nacht zeigt sich das Digitale“), Edgar Reitz („Der Film verlässt endlich das Kino“) und Tom Tykwer („Die Präsenz der Bilder“). Sehr persönlich werden hier Hoffnungen und Ängste, die sich mit eigenen Erfahrungen verbinden, formuliert. Aber es dominiert der Optimismus. Tom Tykwer gibt der Problematik einen eigenen Dreh: „Der entscheidende Gedanke ist doch, das Leben soll Platz finden im Kino. Dann ist das Kino relevant. Und wenn das Leben immer digitaler wird, dann wird das Kino es eben auch werden.“

Das Buch hat sein eigenes Gewicht. Die rund 400 kleinen und großen Abbildungen bekommen auf dem 135g-Papier eine fabelhafte Präsenz. Mythenbilder, Effektfotos und Animationen kämpfen dabei zu etwa gleichen Teilen um unsere Aufmerksamkeit. Und immer wieder verweilt man bei den Mythenbildern, die sich in unserem Unterbewusstsein verankert haben, als es das Wort „Digitalisierung“ noch nicht gab. Die Halbwertzeit der Filmbilder hat sich seither sehr verkürzt. Auch das gehört in den Kontext des Themas.

Verlustdrohungen, visionäre Versprechen und Ungewissheiten im Konkreten summieren sich in diesem Buch zu einem höchst dissonanten Klangbild. Wenn man die Klagelieder über das Kinojahr 2007 und die Hoffnungsgesänge zum Kinojahr 2008 hinzufügt, könnte man von einer spezifischen symphonie cinématographique sprechen. Sie ist nicht so schön wie die symphonie fantastique, aber sie hat wohl noch lange ihren eigenen Reiz.