Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Jahres
1976
Filmbuch des Jahres

Joe Hembus
Western-Lexikon
1.272 Filme von 1894-1975
Carl Hanser Verlag, München/Wien 1976
778 S. (xx DM)
ISBN 3-446-12189-7

Joe Hembus:
Western-Lexikon

Für Menschen, die das Genre lieben, ist dies ein unverzichtbares Buch. Fast so etwas wie eine Bibel. Zum Nachschlagen, zur Orientierung, zur Erinnerung. Joe Hembus (1933-85) hatte schon 1963 das Buch „Der Western“ von Jean-Louis Rieupeyrout herausgegeben. In seinem eigenen Lexikon kommentiert und bewertet er 1.272 Film aus der Zeit zwischen 1894 bis 1975. Das Buch hat 778 Seiten und einen stabilen Einband, er hält intensiver Nutzung stand. Hembus hat ein emotionales und ein sachbezogenes Verhältnis zum Western. Man spürt, für welche Regisseure und Darsteller (Helden und Bösewichter) sein Herz schlägt. Er kann souverän die Inhalte erzählen, weiß einiges über Entstehungsgeschichten und hat einen großen Materialfundus, auf den er für Zitate zurückgreifen kann. 1979 publiziert Hembus ein zweites Western-Buch: „Western-Geschichte“. Es erzählt in einer Chronologie von 1540 bis 1894 über Schauplätze, Themen und Mythen der amerikanischen Geschichte. Ein geplanter dritter Band ist nie erschienen.

Joe Hembus starb 1985. Der Nachruf von Peter Buchka in der Süddeutschen Zeitung ist eine wunderbare Hommage:

„Die Hoffnung seine Freunde sank mit jedem Tag. Vor fünf Wochen war Joe Hembus zu einer Bergwanderung aufgebrochen, von der er nicht zurückkehrte. Wie sich am Samstag herausstellte, war er beim Photographieren abgestürzt – 300 Meter tief. Hembus war 52 Jahre alt.

Er war eine eigentümliche Figur in der oft sehr eigentümlichen Filmbranche; einer, der in keine Kategorie passte, dessen Interessen zu weit gestreut waren, um sich immer nur auf eine Sache festzulegen. So brachte er das beneidenswerte Kunststück fertig, Insider und Außenseiter zugleich zu sein. Hembus war immer detailliert darüber informiert, was in der Filmbranche – und in der deutschen besonders – gerade vor sich ging, aber ließ sich von keiner Gruppe vereinnahmen, hielt Distanz zu Interessenvertretern, war freundlich und kritisch gegenüber jedermann.

Seine Tätigkeiten zu beschreiben ist schwierig, weil sie so vielfältig waren wie seine Interessen. Besonders liebte er die Nebenpfade der offiziellen Filmgeschichte; detailbesessen vergrub er sich in die von den Filmhistorikern naserümpfend beiseite geschobenen Genres. Laurel und Hardy, die großen Komiker, die bei uns immer nur als Dick und Doof verschleudert wurden, machte er gesellschaftsfähig. Längst vergessene Western holte er aus der Versenkung, nicht um sie über Gebühr aufzuwerten, doch in der unerschütterlichen Überzeugung, daß die Blüten dieses beliebtesten aller Genres ihre Wurzeln im Routinebetrieb der Hollywood-Industrie hatten. Die beiden dickleibigen Bücher ‚Western-Lexikon‘ und ‚Western-Geschichte‘ (beide bei Hanser) waren der Lohn für diese langjährige Beschäftigung: eine Pioniertat für die deutsche Filmpublizistik.

Stets schwankte Hembus zwischen professioneller Disziplin und anarchischen Ausbrüchen. Er gründete den Filmreport, die einzig wirkliche unabhängige Branchenzeitschrift, und schrieb schon vor über zwanzig Jahren das provozierende Buch ‚Der deutsche Film kann gar nicht besser sein‘, das er vor vier Jahren aktualisierte. Mehrere Jahre gab er bei Goldmann die Citadel-Filmbücher heraus. In diesem Jahr noch wollte er ein Buch über Computer-Haker schreiben – wie gesagt, er passte in kein Schema. Er war eben ein Einzelgänger, der nicht allein sein konnte. So hat er gelebt; so ist er wohl gestorben.“ (Süddeutsche Zeitung, 4. Juni 1985)