Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
März 2011

Thomas Harlan
Veit
Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2011
160 S., 17,95 €

ISBN 978-3-498-03012-4

Thomas Harlan:
Veit

Es war eine traumatische Vater-Sohn-Beziehung. Veit, der Vater, Regisseur des Nazi-Films JUD SÜSS, und Thomas, der älteste Sohn, haben sich geliebt und gehasst und über Fragen der Schuld gestritten, bis der Vater 1964 gestorben ist. Dann übernahm es der Sohn, als Autor, historischer Forscher und Unruhestifter für seinen Vater eine Verantwortung abzuarbeiten. Zuletzt, im Frühsommer 2010, wenige Monate vor seinem Tod, mit einem Brief, den er nur noch diktieren konnte und der nun publiziert ist in einem Buch, das wie ein kleiner Grabstein aussieht.

Auf der Insel Capri, im Haus von Curzio Malaparte, lag Veit Harlan, betreut von seiner Frau Kristina Söderbaum, im April 1964 im Sterben und bat um einen letzten Besuch des verlorenen Sohnes, der sich verzweifelt darum bemühte, mit einer eigenen Haltung zur deutschen Geschichte zu leben. Thomas kam, die Abschiedszenen sind dokumentiert. Sie werden in diesem Buch noch einmal in Erinnerung gerufen: von einem Beteiligten, der sich nie von der Last der väterlichen Schuld befreien konnte – einer Schuld, die der Vater immer geleugnet hatte: in der Familie, vor Gericht, und natürlich auch in seiner Autobiografie, die 1966 postum erschienen war.

Fremd sei ihm das Buch, heißt es im Vorwort, und dennoch habe es vielleicht einen Sinn, habe er „vielleicht so etwas Ähnliches wie die Wahrheit“ gesagt. 
Diese neunzig Seiten, nur Veit überschrieben, sind sein Vermächtnis, sind Klage und Anklage zugleich, voll der Wut gegen den „Hersteller von Mordwerkzeugen“, den „Lügner“, „tatenlosen Gewaltmenschen“ und „tadellosen Gewalttäter“ – und voller verzweifelter, weil unmöglich erscheinender Liebe zu dem „Unglücklichen, von seinem Sohn Verratenen“.

Thomas Harlan, 1929 geboren, ältester Sohn aus der Ehe von Veit mit der Schauspielerin Hilde Körber, studierte Philosophie, schrieb Theaterstücke, suchte in Archiven nach Dokumenten über deutsche Kriegsverbrechen, geriet in den Verdacht des Geheimnisverrats, lebte mehrere Jahre in Italien, engagierte sich in den 1970er Jahren in der chilenischen Widerstandsbewegung gegen den Diktator Pinochet, arbeitete lange an seinem Schlüsselfilm WUNDKANAL (1984), reiste in viele Krisengebiete, übersetzte Bücher, bereitete Filmprojekte vor, die sich nicht realisieren ließen, schrieb zwei Romane und lebte ab 2001 in einem Lungensanatorium bei Berchtesgaden. Er starb am 16. Oktober 2010.

Das Buch „Veit“ ist Thomas Harlans Frau Katrin Seybold gewidmet.