Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Januar 2009

Andreas Kilb
Kinoblicke
Ausgewählte Filmkritiken
Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2008
340 S., 19,95 €
ISBN 978-3-86650-327-4

Andreas Kilb:
Kinoblicke.
Ausgewählte Filmkritiken

Als er 21 war, schrieb er für die FAZ seine ersten Film- und Fernseh-kritiken. Mit 26 wurde er Filmredakteur der Hamburger Zeit. Zehn Jahre später erweiterte er seinen Horizont als Berichterstatter aus Los Angeles. Seit April 2000 ist er Feuilletonkorrespondent der FAZ in Berlin. Andreas Kilb (* 1961) hat ein bisschen Germanistik, Roma-nistik, Publizistik und Philosophie studiert, verfügt inzwischen über profunde Kenntnisse der internationalen Filmgeschichte, schreibt selbstbewusst und zugeneigt über das Kino, aber auch über die anderen Künste und ist einer der herausragenden deutschen Filmkritiker.

Weil Kilbs Kritiken über den Tag hinaus Bestand haben, gibt es jetzt bereits einen zweiten Band mit ausgewählten Texten. Der erste erschien 1997 unter dem Titel „Was von den Bildern blieb“. Der Verlag für Berlin-Brandenburg hält seinem Autor auch nach elf Jahren die Treue. Das verdient unseren Respekt.

In seinem kurzen Vorwort zieht Andreas Kilb eine kleine Bilanz. Ungefähr 1.500 Filmkritiken habe er in den vergangenen 25 Jahren geschrieben, dazu Nachrufe, Geburtstagsartikel, Essays und Porträts von Regisseuren und Schauspielern. Er ist skeptisch, ob sich „das Eigentliche des Kinos“ in Worten mitteilen lässt: „Es ist eine Art Blitzschlag zwischen den Bildern auf der Leinwand und den Bildern in unserem Kopf, eine magische, instinktive Form der Kommunikation. Wer vom Kino spricht, muss auch immer von dem reden, was man in der Sprache der Filmkritik nicht fassen, nur andeuten kann. Und er muss von sich selbst reden, von den Erfahrungen die das Schreiben über Filme antreiben. Das wirkliche Leben und der Film sind keine Gegensätze, sondern Komplementärbilder, sie spiegeln sich eins im anderen.“

In den 114 Texten dieser Anthologie wird deutlich, was Kilb für sich beanspruchen kann: mehr über einen Film zu referieren als Handlung, Gestaltung, Darstellung. Er sieht den einzelnen Film in größeren Zusammenhängen: im Kontext eines Werkes, einer politischen oder kulturellen Region, eines literarischen Bezugs oder einer Haltung zur Welt. In drei großen Kapiteln geht es um „Das Kino der Meister“ (das meint zum Beispiel Jacques Rivette und einige andere Franzosen, Pedro Almodóvar, Wong Kar-wai, Michael Haneke, die Brüder Dardenne, Lars von Trier oder Stephen Frears), „Amerikanische Bilder“ (etwa von Lucas und Spielberg, Scott und Lynch, Allen und Tarantino) und um „Geschichten aus Deutschland“ (dazu gehören Filme von Volker Schlöndorff, Andreas Dresen, Chris Kraus, Hans-Christian Schmid, Christian Petzold und der sogenannten „Berliner Schule“). Es ist immer wieder erstaunlich, wie differenziert Kilb die einzelnen Filme sieht und bewertet, sodass auch im Abstand von einigen Jahren sein Urteil Bestand hat.

„Geburtstage, Begegnungen, Abschied“ heißt ein Kapitel mit Aufsätzen zu gegebenen Anlässen, in denen uns noch einmal die Bedeutung von Fritz Lang und Marlene Dietrich, Max Ophüls und Friedrich Wilhelm Murnau, Michelangelo Antonioni und Ingmar Bergman vor Augen geführt wird. Dazwischen sind liebevolle Porträts von Julia Roberts, Nicole Kidman oder Tom Cruise platziert. Im letzten Kapitel – „Themen, Tendenzen“ – geht es um den Stand der Dinge im deutschen Film zur Jahrtausendwende, um die Folgen von „Dogma“, das Kino und den 11. September, die „Rhetorik des Sterbens“ im Kriegsfilm und die Wiederkehr der Kinohelden von gestern.

Es sind Texte aus acht Jahren jüngster Filmgeschichte, in denen technisch und ästhetisch viel passiert ist. Kilb ist ein aufmerksamer Beobachter der Veränderung der Formen, auch wenn sein Herz für die Regisseure des klassischen Erzählkinos schlägt. Und weil er so verdammt gut schreiben kann, folgen wir ihm gern auf seinen Entdeckungsreisen durchs Kino.