Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Februar 2010

Christine Kisorsy:
Kino-Magie / Cinema Magic
Zoo Palast Berlin
Bertz + Fischer, Berlin 2010
72 Seiten, 17,90 €
ISBN 978-3-86505-196-7

Christine Kisorsy:
Kino-Magie / Cinema Magic.
Zoo Palast Berlin

Die hohe Fassade mit gemalter Kinowerbung, der kleine Kassenraum, das große Foyer, die Treppen rechts und links, die Eingangstüren, der Zuschauerraum von der Dimension eines Amphitheaters (1.204 Plätze), die bequemen Sessel, zwei kleine Starlogen, die Vorhänge, die sich zur Seite und in die Höhe öffnen, die gekrümmte Leinwand, zwanzig Meter breit, der Gong, der Projektionsstrahl. Magie des Kinos. In der exponierten elften (später in der neunten) Reihe saßen die Stars. Auf der Bühne wurden einmal im Jahr die Goldenen Bären verteilt. Der Zoo Palast war von 1957 bis 1999 das Festspielhaus der Berlinale. Und er war für den Rest des Jahres ein Kino, auf das die Stadt stolz sein konnte. Charlottenburg, Hardenbergstraße, nicht weit entfernt von der Gedächtniskirche, vom Kurfürstendamm und vom Affenhaus des Zoologischen Gartens.

Das Bilderbuch von Christine Kisorsy hat auf mich die Wirkung eines Nachrufs. Es weckt Erinnerungen an Kinobesuche im Zoo Palast und im kleineren Atelier in den fünfziger und sechziger Jahren, an Festspielzeiten, an das Westberlin vor dem Mauerfall, aber auch an den langsamen Abschied vom älter und unansehnlicher gewordenen Gebäude. Zwei Umbauten in den achtziger und vor allem in den neunziger Jahren haben dem Haus viel von seiner Magie genommen, auch wenn der große Saal bisher weitgehend erhalten blieb. Ihm gilt das Hauptaugenmerk der Fotografin. In wunderbaren Totalen sehen wir den Zuschauerraum, das sternhafte Licht der Decke, die Bühne mit den noch geschlossenen Vorhängen. Im Detail sind Eingangstüren (mit Griffen), Fahrstühle, Starlogen, die Wandvertäfelung und der Klappsitz für den Platzanweiser abgebildet. Und fünf Aufnahmen erinnern ans Atelier, das zweite, von Beginn an bespielte Kino im Haus, das seinen eigenen Charme hatte.

Von Dieter Kosslick stammt ein munteres Vorwort, von Michael Althen, der über die große Gabe verfügt, Phänomenologien des Kinos anschaulich zu beschreiben, ein Essay über die Geschichte des Zoo Palastes. Er erzählt, wie er einmal ganz allein im großen Saal einen Film gesehen hat, welche Gefühle ihn da bewegt haben, und er kommt dann doch zur Vernunft: dass es besser fürs Kino ist, wenn dort viele Menschen zusammen einen Film sehen. Der Münchner Althen hat sich in Berlin inzwischen so assimiliert, dass er zur hiesigen Kinogeschichte schon Identifikationen herstellen kann. Dafür gebührt ihm Respekt. Die Texte kann man auf Deutsch und auf Englisch lesen. Das Layout des großen, brillant gedruckten Buches stammt von Volker Noth, der vor allem zu den Fassaden alter Lichtspieltheater eine eigene Beziehung hat.

Im Herbst 2010 wird der Zoo Palast nach langer Vorplanung radikal umgebaut. Ob seine Magie dann noch zu spüren ist?